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Der Prozess gegen Mitglieder der rechtsextremen Gruppe "Oldschool Society" in München.

© dpa

Rechtsextreme "Oldschool Society" vor Gericht: Terrorpläne via Messenger und ein Gruppenbild bei Facebook

Die Anschlagpläne der rechten Terrorgruppe OSS auf ein Flüchtlingsheim waren weit gediehen, als die Polizei zugriff. Nun läuft der Prozess.

Von Frank Jansen

Der bullige Glatzkopf redet, als säße er mit Freunden in einer Kneipe. "Da hab’ ich dem Herrn das Auto zerlegt", sagt Markus W. und nickt dem Richter zu. Der Angeklagte lässt sich über die "verkackte Scheidung" von seiner Noch-Ehefrau aus, einmal hebt er auch belehrend den rechten Zeigefinger, "ne Therapie hab’ ich echt nie gebraucht". Der Vorsitzende Richter Reinhold Baier hatte nach dem Konsum von Alkohol und Drogen gefragt. Der 40-jährige Skinhead, bis zum Hals tätowiert und an Mund und Nase mit Piercings bestückt, fühlt sich bei der Befragung zu seiner Person offenbar wohl.

Der bizarre Auftritt passt zu dem gruseligen Stoff, mit dem sich der 8. Strafsenat des Oberlandesgerichts München befassen muss. Am Mittwoch hat der Prozess gegen vier mutmaßliche Mitglieder der rechtsextremen "Oldschool Society (OSS)" begonnen, die von der Bundesanwaltschaft als terroristische Vereinigung bezeichnet wird. Am 6. Mai vergangenen Jahres hatten Spezialeinheiten der Polizei in Sachsen, Nordrhein-Westfalen und Bayern Markus W. und seine mutmaßlichen Komplizen Andreas H., Denise G. und Olaf O. festgenommen. Und damit die offenbar schon weit gediehenen Pläne für einen Angriff auf ein bewohntes Flüchtlingsheim in Sachsen gerade noch rechtzeitig gestoppt. Die Welle rassistischer Gewalt in Deutschland hätte sonst vermutlich einen grässlichen Höhepunkt erreicht.

Ab Mai 2015 begannen die konkreten Anschlagsplanungen, so die Anklage

"Ab Februar 2015 konkretisierten sich fortlaufend die Planungen der OSS für die erstmalige Begehung terroristischer Anschläge", trägt Oberstaatsanwalt Jörn Hauschild am Mittwoch aus der Anklageschrift vor. "Spätestens am 1. Mai 2015 begannen konkrete Vorbereitungen zur Begehung eines Sprengstoffanschlags auf eine bewohnte Asylbewerberunterkunft im Rahmen eines geplanten Treffen." An dem Feiertag hatten Markus W. und Denise G. auf einem Asiamarkt in Tschechien hochexplosive Böller gekauft. Darunter mehrere "Cobra 11" und "Viper 12", mit einer Sprengkraft von 30 Gramm TNT. Eine Woche später, sagt die Bundesanwaltschaft, hätten sich die  Mitglieder der OSS, insgesamt bis zu 30 Männer und Frauen, im nordsächsischen Borna treffen wollen. Hier wohnte Markus W. und von hier aus sollte bei einer "Nachtwanderung" ein Flüchtlingsheim mit Nagel- und Brandbomben attackiert werden. "So ein Ding im Asylcenter, im Asylheim so, weißt du, Fenster eingeschmissen und dann das Ding hinterhergejagt", zitiert der Oberstaatsanwalt Markus W. aus einem Telefonat mit Andreas H., dem Chef der OSS. Dieser habe geantwortet, "tät mir schon gefallen, wär schon so nach meinem Geschmack".

Im Gerichtssaal wirken die meisten Angeklagten unbekümmert. Es geht am Mittwoch auch nur um die Lebensläufe von Markus W. und Olaf O. Der vorbestrafte Markus W., unsteter Lebenslauf, 2006 in die NPD eingetreten und ehemals Mitglied der 2012 verbotenen "Kameradschaft "Aachener Land", dennoch zeitweise Wachmann in einer Flüchtlingsunterkunft in Leipzig und zuletzt  Kleinunternehmer "in Messebau und Security", schwadroniert im rheinischen Tonfall seiner Geburtsstadt Düren. Seine arbeitslose Freundin Denise G. (23) aus dem sächsischen Freital, klein, quirlig und ebenfalls im Gesicht getackert, hat laut Ermittlungsakten 2011 ihren damaligen Freund beinahe totgestochen. Im Gerichtssaal grinst sie häufig.

Die Gruppe hatte sich wie eine Rockergang organisiert

Andreas H. (57), nach Aktenlage ein Maler aus Augsburg, mehrfach geschieden, Mitglied der NPD und Waffennarr, trägt sein blaukariertes Freizeithemd lässig über der Hose. Die Anklage kommentiert er mit betont erstaunter Miene. Seltsam wirkt zudem, dass Andreas H. als Pflichtverteidiger den jüdischen Anwalt Michael Rosenthal akzeptiert. "Das könnte Taktik sein", heißt es in Justizkreisen. Nur Olaf O. (48) wirkt bedrückt. Der blasse Arbeitslose aus Bochum erzählt dem Gericht von  Schicksalsschlägen, von einem Hirntumor und dem Verlust der Arbeit als Kfz-Mechaniker bei Opel, der Trennung von der Ehefrau und  zunehmender Vereinsamung. "So hab ich meine sozialen Kontakte immer mehr ins Internet verschoben", sagt Olaf O. Das ist ein Schlüsselsatz. Im Internet geriet der Mann an die OSS.

Was Sicherheitskreise über die Gruppierung berichten, fügt sich zu einem abstrusen Bild. Die OSS, organisiert wie eine Rockergang mit Andreas H. als "President" und Markus W. als "Vice-president", war fanatisch rassistisch, auf Gewalt programmiert, mental primitiv  - und doch auch modern. Die Mitglieder agierten nicht im  Untergrund wie der NSU, vielmehr bildeten sie zunächst eine virtuelle Gemeinschaft. Im Frühjahr 2014 gründeten Andreas H., Markus W. und Denise G. mit zwei weiteren Rechtsextremisten eine WhatsApp-Gruppe. Kennengelernt hatte man sich bei Facebook, doch WhatsApp ist intimer. Bei dem Instant-Messaging-Dienst liest nicht die halbe Internetwelt mit. Vermutlich ist die OSS in Deutschland die erste rechte Terrorgruppe, die aus einem WhatsApp-Chat entstand. Rassistische Militanz 2.0.

Unklar ist, wie es zu dem Namen "Oldschool Society" kam

Wie es zu dem Namen "Oldschool Society" kam, ist unklar. Die Rechtsextremen hätten vermutlich "die alten Werte hochhalten wollen", sagt ein Sicherheitsexperte, "Kameradschaft und so". Im August 2014 ploppte der Begriff bei der WhatsApp-Gruppe auf. Da die Mitglieder befürchteten, WhatsApp sei von den Sicherheitsbehörden leicht zu knacken, wurde die interne Kommunikation zum Instant-Messaging-Dienst Telegram verlegt. Hier lassen sich die Chats massiv verschlüsseln. Außerdem bildeten die vier Angeklagten einen "Geheimrat" innerhalb der OSS. Doch sie hatten nicht mit dem Verfassungsschutz gerechnet. Er bekam alles mit. Zumal die OSS nach außen hin weiter bei Facebook präsent war. Auch das erste reale Treffen der Gruppenmitglieder, am 15. November in Frohburg nahe Borna. Da sei in geradezu familiärer Atmosphäre über den bewaffneten Kampf gegen Salafisten und Flüchtlinge gesprochen worden, sagen Sicherheitsexperten. Und über die Herstellung von Sprengstoff und Bomben. Anschließend stellten sich die Neonazis zum Gruppenbild auf und posteten es bei Facebook.     

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