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Die Zahl der rechten Straftaten bleibt hoch.

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Rechtsextremismus in Deutschland: Rechtsextreme Gewalt wächst erschreckend

Nach dem NSU-Schock sieht Innenminister Thomas de Mazière die Reform des Verfassungsschutzes auf gutem Wege. Dessen neuester Bericht ist aber alarmierend: 2013 gab es 20 Prozent mehr rassistische Gewalttaten.

Es ist der dritte Verfassungsschutzbericht nach dem Auffliegen des NSU-Terrors, der auch ein erhebliches Versagen der amtlichen Beobachtung von Rechtsextremisten enthüllte. In der Presseerklärung von Thomas de Maizière ist das Thema allerdings weit nach hinten gerückt. Die Botschaft: Alles auf bestem Wege. In der Pressekonferenz nennt er den Verfassungsschutz dann allerdings doch früh und, gleich mehrmals, „unverzichtbar“ – als wolle er allen den Wind aus den Segeln nehmen, die nach Vertuschung und Verharmlosung während des jahrelangen Mordens und der mysteriösen Aktenvernichtung danach die Lösung nur noch in der Abschaffung des Diensts sahen und sehen.

"Der NSU war ein Einschnitt"

„Ein tiefgreifender Reformprozess“ sei im Gange, sagt de Maizière, es verändere sich gerade „mehr, als es öffentlich den Anschein hat“. Der NSU-Skandal sei ein „Einschnitt“ gewesen, der für „Kultur, Mentalität und Struktur“ des Verfassungsschutzes Konsequenzen habe. Mit den Ländern verhandle er gerade über eine Reform von „Zuständigkeiten, Analysefähigkeit und der Arbeit mit V-Leuten“. Man wolle sich einigen, noch bevor es ans Gesetzgebungsverfahren gehe. Das aktuell bekannte Ausmaß rechter Gewalt, das der Bericht für das vergangene Jahr verzeichnet, ist erheblich: Die Zahl Rechtsextremer in Deutschland sinkt demnach zwar weiter, aber sie werden brutaler. Fast die Hälfte von ihnen, etwa 9600, sei gewaltbereit. Fremdenfeindliche Gewalt – gemeint ist rassistische, die sich nicht nur gegen Ausländer richtet – ist im Vergleich zu den Taten 2012 um 20,4 Prozent größer geworden. Damals wurden 393 Gewalttaten verzeichnet, jetzt waren es 473. Ein Tötungsdelikt war wie schon 2012 nicht dabei.

Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen, im Hintergrund Minister de Maizière
Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen, im Hintergrund Minister de Maizière

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"Hetzer mobilisieren auch in der Mitte der Gesellschaft"

Die gegen Rassismus engagierte Amadeu-Antonio-Stiftung sieht dadurch die eigenen Zahlen bestätigt: „Die Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden geben auch unsere Beobachtungen wieder“, erklärte ihr Koordinator Timo Reinfrank. „Die Hemmschwelle zur Anwendung von Gewalt durch Rechtsextreme sinkt weiter.“ Deren Hetzkampagnen schafften es dabei auch, „Teile der Mitte der Gesellschaft zu mobilisieren“.
Auch links verzeichnen die Beobachter vom Amt rückläufige Aktivenzahlen, von knapp 30 000 auf jetzt 27700. Dafür seien in erster Linie die schrumpfenden Kleingruppen von Marxisten-Leninisten, Trotzkisten und anderen Altrevolutionären verantwortlich. Auch die Zahl Gewaltbereiter sinke leicht, nicht aber linke Gewalt: Hier verzeichneten die Behörden 2013 einen Anstieg um 26,7 Prozent.

Zweifel an der Statistik

Die Linken-Politikerin Ulla Jelpke hatte diese Woche den Wert der Statistik zur politisch motivierten Gewalt von Bundeskriminalamt und dem Bundesamt für Verfassungsschutz grundsätzlich bezweifelt. Auf der linken Seite der Gewalttaten seien auch Widerstand, Landfriedensbruch und Verstöße gegen das Versammlungsgesetz verzeichnet. Das betreffe im wesentlichen Proteste gegen Naziaufmärsche, „also ein gesellschaftliches Engagement, zu dem selbst der Bundespräsident die Bürgerinnen und Bürger ermutigt“.

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