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Rechtsextremismus: Prozess um Verbrennung von Anne-Frank-Tagebuch

Weil sie bei einer "Sonnwendfeier" ein Exemplar des Anne-Frank-Tagebuchs verbrannt haben, müssen sich seit heute sieben Männer in Magdeburg vor Gericht verantworten. Zum Auftakt bestritt einer der Angeklagten den Vorwurf der Volksverhetzung.

Magdeburg - Der 25-Jährige gab zwar zu, das Buch am Abend des 24. Juni 2006 im Rahmen einer öffentlichen "Sonnenwendfeier" in Pretzien bei Magdeburg ins Feuer geworfen zu haben. Er habe das Schicksal des jüdischen Mädchens damit aber nicht verharmlosen wollen.

Den mutmaßlich rechtsextrem gesinnten Männern im Alter von 24 bis 29 Jahren wird zur Last gelegt, die Buchverbrennung gemeinsam geplant, die Nazi-Gewaltherrschaft verherrlicht sowie die Judenverfolgung geleugnet zu haben. "Sie verhöhnten Anne Frank und mit ihr sämtliche Opfer der Konzentrationslager", sagte Staatsanwalt Arnold Murra. Aus Platzgründen wird der Prozess des Amtsgerichts Schönebeck im Landgericht Magdeburg geführt.

Auch US-Flagge verbrannt

Der 25-Jährige und ein weiterer Angeklagter, der eine US-Flagge ins Feuer geworfen hatte, bestritten, dass es einen gemeinsamen Plan zur Buchverbrennung gegeben habe. Die übrigen fünf Männer machten am Montag keine Angaben. Die "Sonnenwendfeier" war von einem inzwischen aufgelösten "Heimatbund Ostelbien" veranstaltet worden, der aus einer rechten Kameradschaft hervorgegangen war.

"Es tut ihm aufrichtig Leid, dass er falsch verstanden worden ist", sagte Anwalt Thomas Jauch im Namen des 25-Jährigen. Das Nazi- Regime und die Judenvernichtung hätten diesen so stark belastet, dass er sich mit der Verbrennung des Buchs symbolisch "von diesem bösen Kapitel deutscher Geschichte" habe befreien wollen. Der Angeklagte bestritt, "sowieso alles Lüge" gesagt zu haben, als er das Buch ins Feuer warf, wie es ein Zeuge gehört haben will.

"Rechts angehaucht"

Richter Eicke Bruns ließ indirekt erkennen, dass er die Darstellung der Buchverbrennung als eine Art Befreiungsakt schwer nachvollziehen könne. Er fragte, ob der 25-Jährige noch nie etwas von der Bücherverberennung der Nazis am 10. Mai 1933 auf dem Opernplatz in Berlin gehört habe. "Nein, vielleicht mal im Geschichtsunterricht", antwortete der Angeklagte. Die politische Einstellung der Angeklagten bezeichnete er als "neutral, ein bisschen angehaucht", auf Nachfrage als "rechts angehaucht".

Anne Frank, die in ihrem weltberühmten Tagebuch das Leben ihrer Familie in einem Versteck in Amsterdam schildert, starb kurz vor Kriegsende 1945 im KZ Bergen-Belsen im Alter von 15 Jahren an Typhus.

Den Angeklagten drohen im Falle einer Verurteilung bis zu fünf Jahren Haft. Das Verfahren wird an diesem Mittwoch fortgesetzt. (tso/dpa)

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