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Seit Monaten stehen die Rockerklubs in den Schlagzeilen - meistens deswegen, weil Mitglieder in Straftaten verwickelt sind.

© dpa

Rechter Terror: Zschäpe unerkannt bei Rocker-Prozess

Die Terrorverdächtige Beate Zschäpe soll 2011 einen massiv gesicherten Rocker-Prozess im Erfurter Landgericht besucht haben. Dort soll sie einen Anwalt um Hilfe gebeten haben.

Von Frank Jansen

Im Fall der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) gehen die Thüringer Sicherheitsbehörden nach Informationen des Tagesspiegels einer neuen Spur nach. Ein Rechtsanwalt habe der Staatsanwaltschaft berichtet, das NSU-Mitglied Beate Zschäpe habe sich im vergangenen Jahr am Rande eines Prozesses am Erfurter Landgericht gegen Bandidos-Rocker an ihn gewandt und gefragt, ob er ihr helfen könne, berichteten Sicherheitskreise.

Der Jurist, der in dem Verfahren einen der angeklagten Rocker verteidigte, habe der Frau seine Visitenkarte gegeben. Wie es weiter hieß, habe der Anwalt dann Ende 2011 Zschäpe auf den Fotos in den Medienberichten zum NSU wiedererkannt und die Staatsanwaltschaft informiert. Sollte der Anwalt tatsächlich von Zschäpe im Erfurter Landgericht angesprochen worden sein, wäre das ein Beleg „für die enorme Dreistigkeit, mit der sich die Mitglieder der Terrorzelle in der Öffentlichkeit bewegt haben“, sagte ein Sicherheitsexperte. Der Prozess gegen die Bandidos wurde von der Polizei massiv gesichert, Besucher mussten ihre Personalien angeben. Zschäpe war nach bisherigen Erkenntnissen der Polizei häufig mit Ausweispapieren unterwegs, die auf den Namen der mutmaßlichen Unterstützerin Mandy S. oder einer weiteren Helferin aus der rechtsextremen Szene lauteten. Die Listen mit den Namen der Besucher des Prozesses habe das Landgericht aber bereits aus Datenschutzgründen vernichtet, sagten Experten.

Ein längerfristiger Kontakt zwischen dem Anwalt und der von ihm als Beate Zschäpe erkannten Frau soll jedoch nicht zustande gekommen sein. Offen bleibt, ob auch Zschäpes Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt zu dem Bandidos-Prozess gekommen waren und im Publikum saßen. Der Anwalt habe berichtet, Zschäpe sei in Begleitung von zwei Männern gewesen, die er aber nicht mehr identifizieren konnte, hieß es in Sicherheitskreisen. Eine Sprecherin des Thüringer Justizministeriums sagte am Dienstag, ein Anwalt aus dem Bandidos-Prozess habe im Dezember 2011 der Staatsanwaltschaft Gera mitgeteilt, Beate Zschäpe im Publikum gesehen zu haben. Dem Hinweis sei nachgegangen worden. Da aber die Anwesenheitsliste der Besucher nicht mehr existiere, hätten die Behörden die Angaben des Anwalts bislang nicht verifizieren können, teilte die Sprecherin mit.

Ein Untersuchungsausschuss soll Ermittlungspannen klären

Unterdessen zeichnet sich im Bundestag die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu den Versäumnissen der Behörden bei den Ermittlungen zur Terrorzelle ab. Am Freitag wollen sich die Parlamentarischen Geschäftsführer treffen und über einen möglichen Ausschuss sprechen, hieß es am Dienstag im Umfeld des Bundestages. Auch die schwarz-gelbe Regierungskoalition zeigte sich grundsätzlich gesprächsbereit. In der Unionsfraktion hieß es jedoch am Dienstag, man halte einen Untersuchungsausschuss im Bundestag weiterhin für „nicht besonders zielführend“. Anlass für die Forderungen nach einem Untersuchungsausschuss sind Ermittlungspannen im Fall NSU.

Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe konnten 1998 während einer Razzia der Polizei flüchten und lebten dann fast 14 Jahre im Untergrund. In der Zeit wurden bundesweit neun Kleinunternehmer türkischer und griechischer Herkunft sowie eine Polizistin erschossen. Die Terrorgruppe soll auch für zwei Bombenanschläge in Köln und 14 Banküberfälle verantwortlich sein. Der Thüringer Verfassungsschutz ließ dem Trio Ende der 90er Jahre über einen V-Mann 2500 D-Mark zukommen, um die Flüchtigen zu entlarvenden Aktionen zu bewegen. Das ging schief. Später wurde die Suche nach Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe eingestellt.

Linke und Grüne fordern schon seit längerem, Fehler der Ermittlungsbehörden im Fall NSU durch einen Untersuchungsausschuss im Bundestag aufklären zu lassen. Bisher fehlten ihnen allerdings die nötigen Stimmen im Parlament. Zusammen kommen beide Fraktionen auf 144 Sitze. Für die Einsetzung eines Ausschusses müsste aber ein Viertel aller Abgeordneten stimmen, also 155 der 620 Parlamentarier. Unentschlossen ist noch die SPD. Die Fraktion will Ende der Woche ein Gesamtkonzept für eine Kombination aus einer Bund-Länder-Expertenkommission und einem Untersuchungsausschuss vorlegen. Ziel sei es, lähmende Paralleluntersuchungen zu vermeiden und möglichst schnell zu fundierten Ergebnissen zu kommen, sagte der Parlamentarische Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. „Ich bin zuversichtlich, dass sich die anderen Fraktionen diesem Vorschlag nicht verschließen werden“, betonte Oppermann.(mit dapd)

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