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Rechtsextreme Gewalt: Kommission prüft Tötungsdelikte hauptsächlich in alten Bundesländern

628 ungeklärte Tötungsdelikte werden nachträglich auf einen möglichen rechtsextremen Hintergrund untersucht. Doch anders als erwartet sind darunter nur wenige Fälle aus den Ost-Bundesländern.

Von Frank Jansen

Bei der vom Bundesinnenministerium veranlassten Prüfung der umstrittenen Statistiken der Polizei zu Todesopfern rechter Gewalt seit der Wiedervereinigung werden nun überraschende Details bekannt. So liegt die Zahl der zu untersuchenden Fälle, die Ostdeutschland betreffen, weit unter denen des Westens – obwohl die Polizei aus den fünf neuen Ländern regelmäßig einen überproportional hohen Anteil rechtsextremer Gewalttaten meldet. Doch von den zur Prüfung vorliegenden 628 versuchten und vollendeten Tötungsdelikten mit einem möglichen rechten Hintergrund sind nur 43 aus Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Martina Renner (Linkspartei) und ihrer Fraktion hervor. Das Schreiben liegt dem Tagesspiegel vor.

Bei den 628 Fällen handelt es sich um Verbrechen, zu denen die Polizei bislang keine Täter ermitteln konnte. Es sind 301 vollendete Tötungsdelikte sowie 327 versuchte. Die Straftaten wurden von einer „Arbeitsgruppe Fallanalyse“ im „Gemeinsamen Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus“ der Sicherheitsbehörden aus einer noch viel größeren Zahl von Delikten herausgefiltert. Die AG Fallanalyse hatte zunächst 3300 ungeklärte Verbrechen auf „abstrakt denkbare Anhaltspunkte“ für ein mögliches rechtes Tatmotiv untersucht. In einer ersten Prüfphase wurden die 628 Fälle herausgefiltert. Warum nur so wenige Delikte aus Ostdeutschland dabei sind, ist der Antwort der Regierung nicht zu entnehmen.

Auffällig ist auch, dass Sachsen-Anhalt mit 29 Fällen deutlich stärker betroffen ist als die anderen neuen Länder. Bei Thüringen und Sachsen sind es nur je zwei, bei Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern jeweils fünf. Zum Vergleich: mit 209 vollendeten und versuchten Tötungsdelikten führt Baden-Württemberg die Liste der westdeutschen Länder an. Berlin liegt mit 69 Fällen in der Mitte.

Ein erstes Zwischenergebnis der Recherchen der AG Fallanalyse war im Dezember bekannt geworden und hatte die Öffentlichkeit erschreckt. Das Bundesinnenministerium meldete damals insgesamt 745 Fälle seit 1990, bei denen eine rechte Motivation nicht auszuschließen sei. Die Zahl der bei diesen Verbrechen getöteten oder schwer verletzten Opfern liegt mit 849 noch höher. In die 745 Fälle sind neben den 628 Straftaten, bei denen die Täter unbekannt sind, auch 117 Delikte mit insgesamt 137 Toten einbezogen, die der Tagesspiegel und „Die Zeit“ im September 2010 aufgelistet hatten. Bei diesen Verbrechen sind die Täter bekannt und meist auch verurteilt.

Aktuell kommt der Tagesspiegel bereits auf 152 Todesopfer rechter Gewalt seit der Wiedervereinigung. Die offizielle Zahl lautet 63.       

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