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FPÖ-Kandidat Norbert Hofer am Wahlabend in Wien

© dpa/EPA/Christian Bruna

Rechtspopulismus in Europa: Die gefährlichen Verführer

Populistische Bewegungen wie die FPÖ und die AfD sind im Aufwind. Sie schüren die Hoffnung der Wähler, mit rigorosen Maßnahmen all das stoppen zu können, was die Welt, wie sie war, gefährdet. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Ein Gespenst geht um in Europa. Es ist das Gespenst wachsender populistischer Bewegungen in den Staaten der Europäischen Union, Reaktion auf tatsächliches oder vermeintliches Versagen der etablierten demokratischen Kräfte. Sein Erstarken ist Ausfluss der Unsicherheit breiter Wählerschichten angesichts äußerer Einflüsse, die den eigenen bescheidenen Wohlstand, die Sicherheit und den Fortbestand des Gewohnten gefährden könnten. Erstes Opfer war Frankreich, wo der Front National als Kritiker einer desaströsen Migrationspolitik seit Jahren bestürzende Wahlerfolge erzielt. In Deutschland signalisierten die Protestbewegung Pegida und eine Partei wie die AfD, dass man mit Stimmungen, Gerüchten und Anti-Europa-Parolen die Massen bewegen kann. Nun hat dieser Infekt den Nachbarn Österreich erfasst.

Bei der Präsidentschaftswahl standen sich am Sonntag im zweiten Durchgang der FPÖ-Kandidat Norbert Hofer und der Grüne Alexander Van der Bellen gegenüber. Hofer kam aus der ersten Runde mit komfortablen 35 Prozent, Van der Bellen konnte aus seinen 21 Prozent nur dann eine Mehrheit machen, wenn die Appelle aller unterlegenen Kandidaten der ersten Runde, für ihn zu votieren, die Wähler mobilisierten. Die Wahlbeteiligung stieg – aber beide liegen so dicht beieinander, dass diese Wahl, wer am Ende auch siegt, zum Erfolg für die FPÖ wurde.

Was sind die Gründe? Norbert Hofer ist nicht so verbalradikal und fremdenfeindlich wie der FPÖ-Chef Heinz Christian Strache, unter dem die Freiheitlichen noch extremistischer wurden als sie es schon bis 2005 unter Jörg Haider geworden waren. Der galt bereits damals als Schreckgespenst Europas. Aber man lasse sich nicht durch die freundliche Art Hofers täuschen. Seine später etwas entschärfte Drohung, von allen Möglichkeiten der österreichischen Verfassung Gebrauch zu machen, ist ernst zu nehmen. Hofer könnte tun, was vor ihm kein österreichischer Präsident erwog: Er könnte den Kanzler ohne Zwang entlassen und Neuwahlen ansetzen, bei denen vermutlich die FPÖ auf der Welle des Protestes zur stärksten Partei werden würde.

Die Folgen der Globalisierung

Die Deutschen sollten genau hinschauen nach Österreich. Auch hier ist das Klima so, dass Kanzlerkandidaten wie Angela Merkel oder Frank-Walter Steinmeier es schwer und ein Horst Seehofer deutlich leichter hätte. Die Ängste eines erheblichen Prozentsatzes der Deutschen sind nicht anders als die der Österreicher. Sie speisen sich aus dem gleichen Unbehagen. Jeder weiß, dass der Staat das Steuergeld nur einmal verteilen kann. Bürger, die jetzt schon auf Hilfe angewiesen sind, oder sich, noch auf eigenen Beinen stehend, um ihren bescheidenen Wohlstand sorgen, fürchten, dass Migranten ihren Platz in der Gesellschaft gefährden, weil die ebenfalls Wohnung, Bildung, Fürsorge, Arbeit brauchen.

Zudem hat das überkommene Politik- und Gesellschaftsmodell durch die Globalisierung unstrittig viel von seiner Strahlkraft verloren. Globalisierung und offene Grenzen machten zwar viele Produkte deutlich billiger, von elektronischen Geräten über Textilien bis zu Nahrungsmitteln. Aber Globalisierung senkt eben auch den Preis der Arbeit, die Löhne in Europa. Der Niedriglohnsektor, die Zahl prekärer Jobs, wuchs dramatisch – wenn nicht die Arbeitsplätze gleich dorthin exportiert wurden, wo Arbeit wenig kostet, in der so genannten Dritten Welt. Dass Österreich als Drehscheibe der Völker zwischen West- und Osteuropa von alledem noch mehr als Deutschland tangiert wird, ist offenkundig.

Populistische Bewegungen wie die FPÖ und die AfD schüren die Hoffnung der Wähler, diese Parteien könnten mit rigorosen Maßnahmen all das stoppen, was die Welt, wie sie war, gefährdet. Und dass Europa, dass die EU, der Wachstums- und Freiheitstreiber von einst, angesichts der Krisen völlig hilflos und zerstritten reagiert, lässt den nationalen, den nationalistischen Alleingang plötzlich wieder als Option erscheinen. Aber gibt man den Extremisten eine Stimme, wird das Ende nicht mehr, sondern weniger Freiheit sein. Dann ist es zu spät.

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