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Rechtspopulismus: Niederlande distanzieren sich von Anti-Islam-Film

Nach der Veröffentlichung des Anti-Islam-Films von Geert Wilders hagelte es scharfe Kritik, die befürchteten Ausschreitungen blieben aber zunächst aus. Der Regisseur plant jetzt eine Tournee, um mit Muslimen zu diskutieren.

Die befürchteten Ausschreitungen sind nach der Veröffentlichung des Anti-Islam-Films „Fitna“ des niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders zunächst weitgehend ausgeblieben. Die niederländische Regierung hatte heftige Reaktionen im In- und Ausland befürchtet – ähnlich wie nach der Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen in Dänemark vor knapp zwei Jahren.

Der Vorsitzende der Freiheitspartei, Geert Wilders, zeigt in seinem Film, den er am Donnerstagabend ins Internet gestellt hat, Bilder von Terroranschlägen mit islamistischem Hintergrund, etwa vom 11. September 2001 in New York, und bringt sie in eine direkte Verbindung mit Versen aus dem Koran. „Der Islam wird mit Gewalt gleichgesetzt“, kritisierte die niederländische Regierung den 15 Minuten langen Streifen. Ausschnitte aus der heiligen Schrift der Muslime wechseln sich auf dem Bildschirm ab mit Bildern von Hinrichtungen von Ungläubigen, zerbombten Bussen und verschleierten Frauen. Wilders lässt so ein Bild entstehen von gewalttätigen, blutdürstigen Muslimen, die Christen und Juden abschlachten wollen. Am Ende des Films ruft Wilders dann zum Kampf gegen die „Islamisierung“ der Niederlande und zur freien Meinungsäußerung auf.

Schon im Vorfeld hatte es Aufregung um den Film gegeben. In Afghanistan beispielsweise hatten Demonstranten niederländische Fahnen verbrannt, mehrere Regierungen von islamisch geprägten Ländern, wie Pakistan und Iran, hatten den Film schon vor dessen Erscheinen verurteilt. In Den Haag wurde deshalb die zweithöchste Sicherheitsstufe angeordnet. Die Regierung befürchtete Krawalle und Anschläge. Aber nach der Veröffentlichung blieb es erstaunlich ruhig, es gab keinerlei Ausschreitungen im Land. Die iranische Regierung forderte die Regierungen der Europäischen Union lediglich auf, die weitere Ausstrahlung des Films zu verhindern. Pakistan verurteilte die Veröffentlichung des Films dagegen scharf und bestellte den Botschafter der Niederlande ins Außenministerium ein. Nach Medienberichten kam es in mehreren pakistanischen Großstädten zu ersten Protesten aufgebrachter Muslime. In einer am Freitag in Islamabad verbreiteten Mitteilung des Außenministeriums heißt es, der „diffamierende“ Film verletze die Gefühle von Muslimen und werde weltweit „Abscheu und Empörung“ hervorrufen. Pakistan rief die niederländische Regierung auf, juristisch gegen Wilders „Beleidigungen“ vorzugehen. Die indonesische Regierung kritisierte den Film als „rassistisch, beleidigend und schädlich für den interreligiösen Dialog“. In Jordanien wollen Medienvertreter gerichtlich gegen den Wilders-Film vorgehen. Außerdem soll zu einem Boykott von niederländischen Produkten aufgerufen werden. „Die Politik der Regierung hat sich ausgezahlt. Sie hat sich klar distanziert von den Aussagen Wilders. Das hatte ihre Wirkung auf die Muslime“, sagt der Sozialwissenschaftler André Krouwel von der Freien Universität Amsterdam. Der niederländische Premierminister Jan Peter Balkenende war noch am Donnerstagabend vor die Fernsehkameras getreten und hatte sich in niederländischer und englischer Sprache von Wilders Film distanziert. „Der einzige Zweck dieses Films ist es, Gefühle zu verletzen“, sagte der Premier. Er wandte sich gegen den Extremismus und rief alle Bevölkerungsgruppen auf, Probleme gemeinsam zu lösen. Ähnliche Aussagen machten Vertreter der Sozialdemokraten, die gemeinsam mit Balkenendes Christdemokraten die Regierungskoalition stellen. Auch von der slowenischen EU-Ratspräsidentschaft bekam Balkenende Rückendeckung: „Wir stehen hinter der Position Balkenendes. Dieser Film wird nur Hass schüren“, hieß es.

Wilders selbst spricht von einem „netten Film“, mit dem er die Diskussion über den Islam in den Niederlanden anstoßen will. Er plant eine Tournee durchs Land, um auch mit Muslimen zu debattieren. Wilders ist seit Jahren für seine Anti-Ausländer-Parolen bekannt. Seine Partei hat zur Zeit neun Sitze im niederländischen Parlament. „Der Film an sich bringt nicht viel Neues, aber er zeigt einmal mehr, wie viel Gewicht das Thema Integration mittlerweile in unserer Gesellschaft hat“, sagt Sozialwissenschaftler Krouwel. Die Regierung in Den Haag habe noch immer keinen Weg gefunden, wie mit den Integrationsproblemen umgegangen werden soll, bemängelt Krouwel. „Dieses Thema wird in den kommenden Jahren immer mehr Raum einnehmen“, sagt er. Ob der Film auch weiterhin im Internet zu sehen sein wird, blieb unklar. Ein Gericht in Den Haag entscheidet am 7. April über eine Klage der niederländischen Muslim-Vereinigung gegen Wilders und seinen Film. Die Islamische Vereinigung fordert für jeden Tag, an dem der Film zu sehen ist, Schadensersatz in Höhe von 50 000 Euro. Auch in Dänemark muss der Politiker mit einer Klage rechnen. Der Karikaturist Kurt Westergaard will Wilders wegen Verletzung des Urheberrechts verklagen. Wilders hat die Mohammed-Karikatur des Dänen, die ebenfalls für heftige Kritik in der islamischen Welt gesorgt hatten, ohne dessen Erlaubnis in seinem Film benutzt.

Ruth Reichstein[Den Haag]

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