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Rechtspopulisten in Finnland: Ist Europas Solidarität in Gefahr?

Der Erfolg der Euro-Skeptiker in Finnland schürt neue Zweifel am Rettungsschirm für Portugal. Die "Wahren Finnen" fordern Neuverhandlungen über den gesamten Rettungsfonds.

Für Finnland war es eine kleine Sensation: Die „Wahren Finnen“ kommen im neuen Parlament von zuvor fünf auf 39 der 200 Sitze. Die drei großen etablierten Parteien – allen voran das Zentrum, aber auch die konservative Nationale Sammlungspartei und die Sozialdemokraten – verloren dagegen viele Wähler. Ganz in der Tradition der finnischen Konsensdemokratie werden die „Wahren Finnen“ wohl sogar an der Regierung beteiligt.

Was bedeutet der Wahlsieg der Rechtspopulisten für die finnische Europapolitik?

Der bisherige Finanzminister Jyrki Katainen, dessen Sammlungspartei stärkste Kraft wurde, sagte noch am Wahlabend, er halte eine Koalition mit den Sozialdemokraten und den „Wahren Finnen“ für „gut möglich“. Als Finanzminister ist der 39-jährige Katainen an problematische Verhandlungen gewöhnt. „Wie könnte ein Wahlergebnis schwieriger sein als die Finanzkrise?“, sagte er. Doch genau dieses Thema dürfte zum größten Hindernis für eine Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten werden. Deren Chef Timo Soini lehnt das vom Finanzminister mit ausgehandelte europäische Rettungspaket für das hoch verschuldete Portugal strikt ab. Nach seinem Wahlerfolg forderte er Neuverhandlungen über den gesamten Rettungsfonds. „Wir waren bisher zu weich gegenüber Europa. Das muss sich ändern.“ Auch die Sozialdemokraten, Katainens zweiter wahrscheinlicher Koalitionspartner, lehnen den europäischen Rettungsfonds EFSF in der jetzigen Form ebenso ab wie zuvor schon die Hilfspakete für Griechenland und Irland: „Wir wollen, dass die Banken mit in die Verantwortung gezogen werden“, sagt die Parteichefin Jutta Urpilainen.

Ist durch das Wahlergebnis in Finnland das Rettungspaket für Portugal in Gefahr?

Der Erfolg der „Wahren Finnen“ führte am Montag bereits zu einem sinkenden Euro-Kurs. Finnland ist das einzige Land, in dem die Hilfen für Portugal nicht nur von der Regierung, sondern auch vom Parlament abgesegnet werden. Die EU-Kommission in Brüssel erklärte, sie erwarte, dass das Land seinen Verpflichtungen nachkomme. Falls Katainens Partei dem Druck der Rechtspopulisten nachgeben und dagegen stimmen sollte, wäre theoretisch das gesamte Paket gescheitert. Denn nach dem Vertrag über den Rettungsfonds EFSF müssen die Entscheidungen über Hilfen einstimmig sein. Doch so weit wird es aller Voraussicht nach nicht kommen. Katainen, der 2008 von der „Financial Times“ zum „besten Finanzminister Europas“ erklärt wurde, wird wohl kaum eine Kehrtwende in der Europapolitik mittragen. Sein Land hat nach Angaben von EU-Diplomaten maßgeblich am Konzept für den Rettungsfonds mitgewirkt. Außerdem gibt es Anzeichen dafür, dass Soini, der einen Ausstieg aus dem Euro als „unrealistisch“ bezeichnet und deswegen gar nicht erst fordert, für eine Beteiligung an der Macht zu Zugeständnissen bereit wäre. Denn schon vor dem Wahltag hat er bei den anderen großen Parteien sondiert, ob sie bereit wären, seinen „Wahren Finnen“ eine Sonderklausel zuzugestehen: Sie dürfen gegen das Rettungspaket stimmen, aber in der Koalition bleiben. Was auf den ersten Blick absurd wirkt, hat es in Finnland schon einmal gegeben: Im vergangenen Jahr stimmten die Grünen gegen neue Atomkraftwerke, verließen aber nicht die Regierung. Vor der Wahl hatte Katainen eine solche Sonderregelung für die „Wahren Finnen“ noch abgelehnt. Es könnte aber der einzige Ausweg sein, um sowohl die von ihm angestrebte Regierung als auch die Portugalhilfe zu retten. „Am Ende wird Finnland die Rechnung nehmen und zahlen“, sagt Jan Sundberg, Politikwissenschaftler an der Universität Helsinki. „Finnland steht zu seinen europäischen Verpflichtungen.“ Der finnische Beitrag für Portugal liegt bei insgesamt 1,4 Milliarden Euro.

Gibt es ähnliche Entwicklungen in anderen europäischen Ländern?

Seit Jahren erlebt Europa einen beispiellosen Rechtsruck, und zwar sowohl im Westen als auch im Osten des Kontinents. Begonnen hatte diese Entwicklung Ende der 90er Jahre, als Jörg Haiders rechte FPÖ in Österreich in die Regierung einzog. Europa war entsetzt, der Menschenrechtsgerichtshof entsandte drei „Weise“ nach Wien, die die Lage beurteilen sollten. Heute ist Finnland eines der letzten Länder in Europa, in denen eine nationalistische und europakritische Partei Erfolge feiert, wenn sie auch weitaus gemäßigter ist als in den meisten anderen europäischen Ländern.

Im vergangenen Jahr schreckte in Ungarn die rechtsextreme Partei Jobbik, die mit rassistischen Parolen Wahlkampf gemacht hat, die Europäer auf. Sie kam bei den Parlamentswahlen auf fast 16,7 Prozent. Auch der Einzug der Schwedendemokraten in den Stockholmer Reichstag im vergangenen Jahr ist ein weiteres Beispiel dafür, dass man mit Stimmungsmache gegen Einwanderer erfolgreich sein kann. Auch in Norwegen und Dänemark gibt es längst populistische Parteien. In den Niederlanden ist eine Minderheitsregierung auf die Unterstützung durch den Rechtspopulisten und Islamkritiker Geert Wilders angewiesen. Von Portugal bis Bulgarien, von Lettland bis Italien sitzen Rechtspopulisten oder gar Rechtsextreme in nationalen Parlamenten. „Die Erfolge der nationalistischen Parteien haben auch mit der EU zu tun“, sagt die Politologin Sabine Riedel von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Die Menschen hätten das Gefühl, bei Entscheidungen nicht ausreichend mitgenommen zu werden.

Welche Auswirkungen hat der erstarkende Rechtspopulismus für Europa?

Was die nationalistischen Parteien in Europa trotz all ihrer Unterschiede verbindet, ist die Rückbesinnung auf die eigene, nationale Kultur und die Ausgrenzung des Anderen, Fremden. Bei den Europawahlen 2009 waren sie in 13 Staaten erfolgreich. Im EU-Parlament sind sie präsent, und es gibt Bemühungen, sich untereinander zu vernetzen. Doch während es ihnen auf nationaler Ebene – wie etwa in Dänemark – gelingen mag, die Einwanderungspolitik zu verschärfen, haben sie bisher keinen Einfluss auf europäischer Ebene. Was Europa betrifft, geht es ihnen im Übrigen nicht unbedingt darum, die EU zu verlassen: „Sie wollen das Rad der europäischen Integration zurückdrehen“, sagt Riedel. Zugleich weist die Wissenschaftlerin auf Versäumnisse der etablierten Parteien hin: „Man darf die Kritik an bestimmten Entwicklungen in der EU nicht den nationalistischen Parteien überlassen.“ Die Bürger müssten viel stärker in den Prozess der europäischen Integration einbezogen werden. Falls die Kritik an den nationalistischen Parteien an der Oberfläche bleibe, statt sich mit den Inhalten zu befassen, würde sich das Phänomen eher noch verstärken.

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