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Update

Rechtsputsch abgewendet: "Neue Zürcher Zeitung": Markus Somm wird nicht Chefredakteur

Der SVP-nahe Journalist Markus Somm wird nicht Chefredakteur der "Neuen Zürcher Zeitung". Damit ist möglicherweise vorerst ein Rechtsputsch abgewendet, durch den einer der renommiertesten Zeitungen ein dramatischer Ansehensverlust drohte.

Große Erleichterung herrscht am Montag in der Redaktion der "Neuen Zürcher Zeitung" ("NZZ"). Markus Somm, Chefredakteur der "Basler Zeitung", wird nicht Chefredakteur der "NZZ". Somm hat am Montag vormittags bestätigt, dass Gespräche zwischen ihm und der Führung der "NZZ"-Mediengruppe über die Neubesetzung der Chefredaktion der "Neuen Zürcher Zeitung" stattgefunden haben. Nach "reiflicher Überlegung" habe er sich jedoch entschlossen, seine Tätigkeit bei der "Basler Zeitung" als Chefredaktor und Verleger unverändert weiterzuführen, heisst es in der Mitteilung weiter.

Die traditionsreiche "Neue Zürcher Zeitung" stand nach Angaben Schweizer Medien vor einem Rechtsruck, der das Renommee dieser angesehenen liberal-konservativen Zeitung hätte zerstören können. Nach Angaben der „Schweiz am Sonntag“ sollte der umstrittene, der rechten SVP nahestehende Journalist Markus Somm Chefredakteur werden. Die "NZZ" drohte durch diese Personalie ihr ausgeprägtes, von ihren Lesern hochgeschätztes liberalkonservative Profil zu verlieren, das diese 1780 gegründete Traditionszeitung immer ausgezeichnet hat.

Vor wenigen Tagen hatte sich die "NZZ" von ihrem bisherigen Chefredakteur Markus Spillmann getrennt. Der als Nachfolger gehandelte Markus Somm leitet als Chefredakteur die "Basler Zeitung", die er bereits nach seinen politischen Vorstellungen umgekrempelt hat.

Die "NZZ" wird für ihren liberalkonservativen Stil geliebt - scharfe Töne sind den Lesern fremd

Nach Angaben der „Sonntagszeitung“ spielte der Verwaltungsratschef der "NZZ"-Mediengruppe, Etienne Jornod, eine „zentrale Rolle“ bei der Neubesetzung des Chefpostens. Jornod habe wiederholt das „unscharfe politische Profil“ der "NZZ" kritisiert, im Verwaltungsrat habe er dann seinen Favoriten Somm ins Gespräch gebracht: Mit Somm solle die "NZZ" klare Kante zeigen. Der mögliche neue "NZZ"-Chefredakteur Somm bezeichnet sich selbst als "Statthalter Blochers". In einer Biographie stimmt Somm das hohe Lied auf den „konservativen Revolutionär“ Blocher und seine SVP an. Nachdem Blocher und seine Gefolgsleute die Macht bei der „Basler Zeitung" übernommen hatten, setzten sie Somm als Chefredakteur durch. Gegen Somm als Chefredakteur der "NZZ" formierte sich jedoch Widerstand. Die „Schweiz am Sonntag" berichtet, mehrere führende Mitarbeiter drohten offen mit der Kündigung. Somm als Chefredakteur dürfte auch bei Aktionären zu einem Proteststurm führen, mutmaßte das Blatt.

Die Frage ist, ob die Gefahr schon gebannt ist

Die entscheidende Verwaltungsratssitzung, die den neuen Chefredakteur ernennt sollte, findet an diesem Dienstag statt. Es ist nach der Absage Somms unklar, ob wirklich ein neuer Chefredakteur präsentiert werden kann. Nach Angaben des "Spiegel" war auch Mathias Müller von Blumencron im Gespräch gewesen. Der Ex-"Spiegel"-Chefredakteur habe aber abgesagt.

Unklar ist, ob die Gefahr einer heimlichen SVP-nahen Machtübernahme in der "NZZ" gebannt ist.

Die Folgen einer rechten Übernahme für die Zeitung wären nicht abzuschätzen. Die von Intoleranz, Ausländerfeindlichkeit und scharfen Tönen gekennzeichnete Politik der SVP steht in scharfem Kontrast zu der liberalkonservativen, großzügigen Atmosphäre, die das Blatt und seine gebildeten Leser ausstrahlen.

Die Frage ist, ob nicht viele Leser zur Konkurrenz abwandern würden. Es gibt zum einen die lokale Konkurrenz des "Tagesanzeigers", aber auch internationale Blätter wie die liberalkonservative "Financial Times". In die Lücke könnten auch die "Süddeutsche Zeitung" oder die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" springen.

Jan-Dirk Herbermann

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