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Kanzlerin Merkel und Polens Regierungschefin Szydlo im vergangenen August in Warschau.

© REUTERS

Rechtsstaats-Verstöße in Polen: Grüne kritisieren Schweigen der Bundesregierung

An diesem Dienstag will Kanzlerin Merkel in Warschau den Chef der polnischen Regierungspartei PiS, Jaroslaw Kaczynski, treffen. Die grüne Europapolitikerin Franziska Brantner wirft der Bundesregierung vor, angesichts der polnischen Rechtsstaats-Verstöße in Brüssel zu schweigen.

Es gibt Politiker in Europa, die sind für Angela Merkel tabu. Und dann gibt es Politiker, die zwar auch nicht gerade auf der Wellenlänge der Kanzlerin liegen, aber trotzdem als Gesprächspartner gepflegt werden müssen. In die erste Kategorie fällt Marine Le Pen, die Chefin des rechtsextremen Front National in Frankreich. Zur zweiten Gruppe gehört Jaroslaw Kaczynski, der Vorsitzende der rechtspopulistischen polnischen Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS). Kaczynski ist so etwas wie die graue Eminenz in der polnischen Politik, und an diesem Dienstag will Merkel ihn bei ihrem Polen-Besuch in Warschau neben der Ministerpräsidentin Beata Szydlo und Staatspräsident Andrzej Duda treffen.

Merkel will vor Gipfel in Rom Geschlossenheit der EU wahren

Die Begegnung fällt in eine schwierige Phase für die EU. Denn einerseits möchte Merkel nach den turbulenten ersten beiden Amtswochen von US-Präsident Donald Trump und vor dem europäischen Jubiläumsgipfel Ende März in Rom die Geschlossenheit der Gemeinschaft wahren. Dabei spielt der EU-Partner in Warschau eine entscheidende Rolle. Doch andererseits lässt sich auch in Berlin nicht übersehen, dass die Regierung unter der Führung der PiS weiterhin gegen rechtsstaatliche Grundsätze verstößt. Zuletzt hatte die umstrittene Berufung der PiS-Parteigängerin Julia Przylebska zur neuen Vorsitzenden Richterin des Verfassungsgerichts Kritik der EU-Kommission ausgelöst. Wegen der Gängelung der Richterschaft verfolgt die Brüsseler Behörde seit Januar 2016 ein so genanntes Rechtsstaatsverfahren gegen die polnische Regierung, ohne dass Szydlos Regierung bislang eingelenkt hat.

EU-Mitgliedstaaten haben sich bislang nicht mit der Causa Polen befasst

„Seit mehr als einem Jahr wird in Polen massiv gegen europäische Rechtsstaatsprinzipien verstoßen“, sagte die Grünen-Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner dem Tagesspiegel. Die Europapolitikerin kritisierte, dass es die EU-Mitgliedstaaten bislang nicht für nötig gehalten hätten, sich mit den Missständen in Polen zu befassen. Dabei hatten die EU-Mitglieder im Dezember 2014 beschlossen, einen „Dialog zur Förderung und zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit“ einzurichten. „Auch die Bundesregierung, die in Sonntagsreden die Wichtigkeit des Rechtsstaatsdialogs preist, tut in Brüssel nichts dafür, um diese Probleme anzusprechen“, kritisierte Brantner. Wie aus einer Antwort des Staatssekretärs im Auswärtigen Amt, Markus Ederer, auf eine schriftliche Anfrage der Grünen-Abgeordneten hervorgeht, habe sich die Bundesregierung in der Vergangenheit im Rahmen des Rechtsstaatlichkeits-Dialogs zu Themen wie „Rechtsstaatlichkeit im Zeitalter der Digitalisierung“ und „Migration und Grundwerte“ konstruktiv eingebracht. Von der Beschneidung des Rechtsstaats in Polen war indes keine Rede.

Nach der Auffassung von Brantner zeigt das bislang fruchtlose Vorgehen der EU, dass die Gemeinschaft neue Instrumente zur Durchsetzung der Grundrechte benötigt. „Die EU braucht einen ständigen, unparteiischen Frühwarnmechanismus, wenn in einem ihrer Mitgliedstaaten Grundwerte verletzt werden“, sagte sie. Nicht der Ministerrat der EU-Staaten, „wo keiner dem anderen wehtun will“, solle künftig die Überprüfung der Grundrechte vornehmen, sondern ein unabhängiges Expertengremium unter Einbeziehung nationaler Parlamente und der Zivilgesellschaft.

Treffen mit PO-Chef Schetyna geplant

Bei ihrem Warschau-Besuch will Merkel indes nicht nur Politiker aus den Reihen der Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ treffen, sondern auch Oppositionsvertreter wie den Chef der liberalen Bürgerplattform (PO), Grzegorz Schetyna. Das dürfte kaum nach dem Geschmack Kaczynskis sein. Schließlich hatte der PiS-Chef im vergangenen Monat noch erklärt, dass Deutschland sich entscheiden müsse, welche Art von Beziehungen es mit Polen haben wolle. "Denn es ist nicht möglich, Polen anzuprangern und es sämtlicher Übel zu beschuldigen und gleichzeitig auf gute Beziehungen zu hoffen", hatte Kaczynski gedroht.

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