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Referendum: Ägyptens Bevölkerung stimmt Verfassungsänderungen zu

Für die meisten Ägypter war das Verfassungsreferendum die erste wirkliche demokratische Erfahrung ihres Lebens. Die Amtszeit des Präsidenten wird verkürzt, nach zwei Amtszeiten ist künftig Schluss.

Viele hatten zwei oder gar drei Stunden anstehen müssen, und doch war die Stimmung am Samstag vor den Wahllokalen festlich und entspannt. „Zum ersten Mal habe ich das Gefühl, dass meine Stimme zählt“, sagte die Studentin Aida Mohammed. „Ich bin jetzt 49 Jahre und bisher noch nie in meinem Leben zur Wahl gegangen“, schmunzelte ein Bankangestellter, als er aus dem Wahllokal in Dokki kommt. Wie eine Trophäe zeigt er seinen mit purpurroter Tinte markierten Daumen. Nicht nur für ihn, für die meisten Ägypter war das Verfassungsreferendum die erste wirkliche demokratische Erfahrung ihres Lebens. Etwas mehr als 40 Prozent gaben nach offiziellen Angaben ihre Stimme ab – ein stolzes Ergebnis nach Jahrzehnten politischer Apathie und echten Wahlbeteiligungen zwischen drei und zehn Prozent. 45 Millionen Wahlberechtigte waren aufgerufen, über ein Paket von elf Verfassungsänderungen zu entscheiden, die zuvor ein Expertenrat als eine Art demokratische Notoperation erarbeitet hatte. Am Ende befürwortete eine klare Mehrheit von 77,2 Prozent die Änderungen. Das mit 22,8 Prozent unterlege „Nein“-Lager dagegen wollte deutlich tiefere Einschnitte in das alte Mubarak-Grundgesetz.

Und so ist fortan die Amtsperiode des Präsidenten von sechs auf vier Jahre gekürzt, nach zwei Amtszeiten muss er einem Nachfolger Platz machen. Innerhalb von 60 Tagen muss der Gewählte einen Vizepräsidenten ernennen. Die Justiz führt wieder uneingeschränkt Aufsicht über alle Wahlen. Jeder Ausnahmezustand muss vom Parlament beschlossen werden und darf höchstens sechs Monate dauern. Eine Verlängerung kann nur das Volk per Referendum autorisieren. Und schließlich legt der neu gefasste Artikel 189 fest, dass sechs Monate nach der nächsten Parlamentswahl eine gänzlich neue Verfassung erarbeitet und dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden soll.

Überschattet wurde die demokratische Premiere fünf Wochen nach dem Sturz von Hosni Mubarak einzig von einem unschönen Zwischenfall, als einige Dutzend Männer Mohammed al-Baradei vor dem Wahllokal in Moqattam mit Steinen bewarfen. „Wir wollen dich nicht, du Verräter“, skandierten die Schläger. Der Friedensnobelpreisträger, der mit seiner Frau und seinem Bruder zusammen seine Stimme abgeben wollte, musste in seinem Wagen Deckung suchen und raste mit zertrümmerter Rückscheibe davon. Ansonsten aber sei die Abstimmung, so bescheinigten unabhängige Wahlbeobachter, fair und ohne Fälschungen verlaufen.

Zentraler politischer Streitpunkt zwischen beiden Lagern war vor allem die Länge der Übergangsperiode für eine demokratische Neuordnung des Landes. Eine Koalition aus säkularen Parteien, Facebook-Aktivisten, Menschenrechtlern und koptischen Christen wollte mit einem „Nein“ verhindern, dass Neuwahlen für Parlament und Präsident schon in den nächsten Monaten und aus ihrer Sicht überstürzt erfolgen. Die in der Mubarak-Zeit ständig schikanierten Parteien bräuchten mehr Zeit, sich neu zu organisieren und den Wahlkampf vorzubereiten, argumentierten sie. Dagegen plädierte ein ungewöhnliches Bündnis aus Muslimbrüdern, Islamisten und alten Mubarak-Getreuen für Zustimmung und trugt am Ende den Sieg davon. Sie nämlich sind bereits gut organisiert und hoffen daher, von schnellen Wahlterminen zu profitieren.

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