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In der Skopje demonstrieren Mazedonier: "Zeigt euch für ein europäisches Mazedonien" steht auf dem Schild geschrieben.

© Boris Grdanoski, dpa

Referendum in Mazedonien: Ein Land entscheidet über seinen Namen

Die Abstimmung soll den Streit mit Griechenland beenden und den Weg in EU und Nato freimachen. Entscheidend wird die Wahlbeteiligung.

Beginnt für Mazedonien ein neues, ein europäisches Zeitalter oder droht dem Balkanstaat unter dem neuen Namen Nordmazedonien die Auslöschung? Am Sonntag entscheiden die Einwohner in einem Referendum über die Umbenennung des Staates, die einen jahrzehntelangen Streit mit Griechenland beenden und die bislang blockierte Mitgliedschaft in EU und Nato ermöglichen soll. Der sozialdemokratische Premier Zoran Zaev ruft dazu auf, eine „weise Entscheidung“ zu treffen und für den Kompromiss zu stimmen.

Auch Staatspräsident Gjorge Ivanov appelliert an die Weisheit seiner Landsleute, er aber bezeichnet eine Entscheidung für eine Namensänderung als „historischen Selbstmord“. Ein Ja zu der Namensänderung würde aus Mazedonien einen halbsouveränen Staat mit einem „eingeschränkten Selbstbestimmungsrecht“ machen, sagte das Staatsoberhaupt am Donnerstag in seiner Ansprache vor der UN-Vollversammlung in New York. Er selbst werde nicht an der Abstimmung teilnehmen, fügte Ivanov hinzu.

Stiller Boykott der Opposition

Ein klarer Sieg der Befürworter gilt bei der Abstimmung als sehr wahrscheinlich. Unsicher ist jedoch, ob die für die Gültigkeit nötige Wahlbeteiligung von 50 Prozent zustande kommt. Darauf scheint auch Präsident Ivanov zu setzen. Eine Beteiligung sei keine Pflicht, schärfte er den Mazedoniern aus der Ferne noch einmal ein. Die Gegner der Umbenennung haben zu einem „stillen Boykott“ aufgerufen. Zum anderen sind merkwürdigerweise offiziell über 1,8 Millionen Wahlberechtigte registriert worden, während Mazedoniens gesamte Einwohnerzahl auf nur 1,5 Millionen Menschen geschätzt wird. Sollte das zutreffen, müsste für eine Gültigkeit der Abstimmung die Beteiligung nicht bei 50, sondern bei 65 bis 70 Prozent liegen.

Die stärkste Oppositionspartei, die nationalkonservative VMRO, hat zwar auf Druck ihrer westeuropäischen Schwesterparteien von einem offiziellen Boykottaufruf abgesehen. Doch viele ihrer Kader sind überzeugt, dass das Referendum am Quorum scheitern wird. Auch haben in einer Erklärung über Facebook 25 von 42 VMRO-Abgeordneten beteuert, sie würden im Parlament niemals einer Verfassungsänderung zur Umbenennung des Staates zuzustimmen – egal, was das Ergebnis der Volksabstimmung sein werde.

Hoffnung auf Ausweg aus der Tristesse

Entscheidend werde sein, ob zumindest ein Teil der VMRO-Anhänger für das Abkommen stimmen werde, sagt in Skopje der Analyst Sasa Ordanski. Doch unabhängig von dessen Ergebnis arbeite die Regierung bereits an dem Zustandekommen einer Zweidrittelmehrheit im Parlament, um mit Hilfe von Dissidenten der Nationalkonservativen eine für die Umbenennung nötige Verfassungsänderung verabschieden zu können: „Die Reformer sind in der VMRO zwar eine Minderheit, aber keine kleine mehr“, sagt Ordanski.

Auch prominente westliche Staatsgäste wie Bundeskanzlerin Angela Merkel hatten sich in den letzten Wochen im Streit um die Absegnung des Namenskompromisses mit Athen engagiert. Der Westen erhofft sich vom Nato-Beitritt und der EU-Annäherung Mazedoniens eine Stabilisierung des labilen Balkanstaats und die Minderung des russischen Einflusses in der Region. Zudem wäre die Beilegung des Namenszwists für die EU-Diplomatie eine der wenigen Erfolgsgeschichten bei ihren von zahlreichen Fehlschlägen gezeichneten Vermittlungsbemühungen auf dem Westbalkan. Für viele Mazedonier ist es wiederum vor allem die triste Wirtschaftslage des Landes und ihre missliche persönliche Situation, die sie auf eine bessere Zukunft durch eine engere Anbindung an die westlichen Institutionen hoffen lässt.

Thomas Roser

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