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Peter Bofinger ist einer der fünf „Wirtschaftsweisen“ des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.

© dpa

Reform der Euro-Zone: Wirtschaftsweiser Bofinger hat Bedenken gegen Europäischen Währungsfonds

Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger hält nichts davon, mit dem Europäischen Währungsfonds eine weitere europäische Überwachungsinstanz neben der EU-Kommission zu schaffen.

Laut EU-Kommission wächst die europäische Wirtschaft wieder so schnell wie seit zehn Jahren nicht mehr. Daher fordern Mitgliedsstaaten wie Frankreich mehr Reformen, um die Konvergenz der Staaten zu fördern und die Euro-Zone zu stabilisieren. Sind die einzelnen Mitgliedsstaaten hier in der Pflicht, oder eher die EU als zentrales Organ?

Erst einmal ist das aktuell recht ordentliche Wachstum im EU-Raum schon die beste Lösung für strukturelle Probleme, denn das ermöglicht mehr Investitionen und sorgt so für mehr Produktivität. Man muss allerdings sehr aufpassen, welche Reformen man konkret möchte – denn die funktionieren ja nicht in allen Mitgliedsstaaten gleich. Deutschland hat in der Vergangenheit längere Zeit den Anstieg der Reallöhne unterdrückt, um die Unternehmen im Land zu halten. Das hat uns wettbewerbsfähiger gemacht. Wenn aber alle Länder des Euroraums versuchen würden, möglichst geringe Lohnkosten zu produzieren, wäre das ein Nullsummenspiel, das zudem deflationäre Effekte hätte. Was aber den Euroraum insgesamt seit der Krise gestärkt hat, war Mario Draghis Geldpolitik.

Wurde nicht gerade die heftig kritisiert?

Ja, besonders von deutscher Seite. Auch meine Kollegen im Sachverständigenrat fanden die Politik der Europäischen Zentralbank unangemessen. Die Kritik kann ich allerdings nicht nachvollziehen, meiner Meinung nach hat sich die EZB immer klar an ihr Mandat gehalten und sich stets an den Inflationsprognosen orientiert.

Was war denn so erfolgreich an Draghis Vorgehensweise?

Der entscheidende Moment war wohl Draghis bekannte Rede „Whatever it takes“ im Juli 2012. Er hat damit die Integrität des Euros erfolgreich verteidigt und damit den extremen Marktdruck von den Ländern genommen. Unter diesem Schutzschirm und mit den Anleihekäufen der der EZB mussten die Euroländer nicht mehr krampfhaft sparen, die Austeritätspolitik, die wir noch zwischen 2011 und 2013 gesehen haben, wurde gestoppt. Und siehe da: In Spanien zum Beispiel ist die Wirtschaft wieder ganz gut in Schwung gekommen, nachdem sie nicht mehr von der Fiskalpolitik gebremst wurde. Das ist ein Lehrbuchbeispiel einer erfolgreichen der keynesianischen Politik. Griechenland dagegen, das unter der Aufsicht der Troika fast bis zuletzt massive Austerität praktizieren musste, brauchte viel länger auf dem Weg zur Erholung.

Die EU-Kommission möchte in der nächsten Haushaltsperiode ein milliardenschweres „Instrument zur Unterstützung von Strukturreformen“ einführen. Ist das der richtige Ansatz?

Eine Belohnung für die Umsetzung nationaler Reformen finde ich falsch. Damit bringt man zum Ausdruck, dass die EU einen Staat dafür entschädigen müsste, der diese Reform durchführt. Dabei ist das doch in seinem eigenen Interesse. Staaten sollten Reformen aus eigenem Antrieb durchführen, weil sie das voranbringt, nicht weil sie dafür Geld von der EU erhalten.

Der französische Präsident Macron möchte den Euro-Rettungsfonds ESM zu einem Währungsfonds ausbauen. Merkel stimmt dem zu. Braucht die EU das wirklich?

In Deutschland plädieren einige für den Europäischen Währungsfonds, um eine zusätzliche Instanz zur Überwachung der nationalen Fiskalpolitiken zu schaffen, weil ihnen die Kommission nicht streng genug erscheint. Ich halte nichts von zwei europäischen Überwachungsinstanzen, die in Konkurrenz zueinander stehen würden. Wir müssen also aufpassen, dass der Währungsfonds damit nicht zu einem trojanischen Pferd wird.

Macron wünscht sich auch ein eigenes Budget für die EU, Merkel dagegen spricht von einem Investivhaushalt im „kleinen zweistelligen Milliardenbereich“. Welche Position vertreten Sie?

Gemeinsame Ressourcen für den Euroraum zu schaffen ist erst einmal richtig. Dennoch sollte die Frage zuerst lauten: Welche gemeinsamen Projekte wollen wir in der EU durchführen? Von welchen Zukunftsausgaben profitieren alle Mitgliedsstaaten? Das können Dinge wie Verkehrsnetze, Energiepolitik, Forschung oder Bildung sein. Es wäre wichtig, den Bürgern Leuchtturmprojekte zu präsentieren. Ein Forschungszentrum für Biomedizin zum Beispiel, in dem nach Therapien für die großen Krankheiten unserer Gesellschaft gesucht wird. Wenn die Projekte definiert sind, sollte man sich überlegen, wie viele davon man gemeinsam finanzieren will. Abstrakt Investitionsmittel für den Euroraum zu fordern, erweckt schnell den Eindruck, dass damit vor allem Transfers finanziert werden sollen.

Erschienen bei EurActiv.

Das europapolitische Onlinemagazin EurActiv und der Tagesspiegel kooperieren miteinander.

Florence Schulz

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