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Kunststückchen: Wie bleibt der Finanzausgleich ausgewogen?

© dpa

Reform des Finanzausgleichs: Durchbruch oder Abbruch

Bund und Länder haben sich bei der Reform des Finanzausgleichs verhakt. Ein Gipfel am 16. Juni soll nun die Lösung bringen. Doch wie sind die Aussichten?

Sie sind ganz schön in Verzug geraten: Im Koalitionsvertrag ist nachzulesen, dass die schwarz-rote Regierung bei der Reform der Bund-Länder-Finanzen bis zur Mitte der Legislaturperiode zu Ergebnissen kommen wollte. Und da zahlreiche Ministerpräsidenten den Koalitionsvertrag mitverhandelt hatten, darf das auch als Ziel der Länder gelten. Es wurde viel verhandelt, vertagt und sich wieder getroffen, Finanzminister, Ministerpräsidenten, Bundesregierung – doch die jahrelangen Mühen haben kein Ergebnis gebracht. Es sei eines der großen Reformvorhaben der Koalition, sagt die Grünen-Bundestagsabgeordnete Anja Hajduk, und an diesem Anspruch gemessen sei sie „vollständig gescheitert“.

Am 16. Juni soll das Malheur nun aber wirklich bereinigt werden – dann treffen sich Kanzlerin Angela Merkel und die Länderchefs mal wieder zu einem der immer häufiger werdenden „Gipfel“. Den Eindruck erweckten vorige Woche jedenfalls mehrere Ministerpräsidenten. In den Koalitionsfraktionen im Bundestag ist man allerdings nicht auf eine rasche Einigung eingestellt. Weder der für die Finanzen zuständige Unions-Fraktionsvize Ralph Brinkhaus noch sein Gegenüber von der SPD, Carsten Schneider, halten viel von dem Ländervorschlag, der seit Dezember auf dem Tisch liegt und den die Ministerpräsidenten als große Errungenschaft betrachten. Der Vorschlag sei eine „Einigung zulasten Dritter“, bekunden Brinkhaus und Schneider, und dieser Dritte sei der Bund. „Uns passt die Einigung der Länder nicht“, sagt der SPD-Finanzpolitiker. Schneider sieht eine Entsolidarisierung unter den Ländern. Die mit den kräftigen Steuereinnahmen, voran Bayern, Baden- Württemberg und Hessen, hätten sich bessergestellt, und der Ausgleich für die Schwächeren solle künftig stärker vom Bund kommen. Brinkhaus warnt davor, dass immer weitere Zugeständnisse der Bundesregierung an die Länder den Bundeshaushalt an den Rand der Leistungsfähigkeit brächten. Allerdings wäre das Ergebnis für den Bundesetat ähnlich, wenn der Vorschlag umgesetzt würde, den Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) als Reaktion auf das Ländermodell hat ausarbeiten lassen.

Länder wollen System straffen

Der Vorschlag der Länder läuft auf eine größere Reform hinaus, indem er den vierstufigen Finanzausgleich auf drei Stufen verringert – womit er freilich immer noch kompliziert genug bleibt. Abgeschafft wird der direkte Finanzausgleich zwischen den Länderhaushalten, die bisherige dritte Stufe, was vor allem eine Forderung des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) war. Das gesamte Volumen des Ausgleichs der Länder untereinander (in den Modellrechnungen etwa 16 Milliarden Euro) soll künftig nur noch in der zweiten Stufe stattfinden, dem Umsatzsteuerausgleich. Also bevor das Geld in den Etats ausgewiesen wird. Die Finanzkraft der Kommunen wird dabei stärker berücksichtigt, mit 75 Prozent statt wie bisher zwei Dritteln – das ist gut vor allem für den Osten. Dazu kommt auch eine neue Bundesleistung an die Länder zum Ausgleich der Finanzkraftunterschiede ihrer Gemeinden. Bremen und das Saarland bekommen höhere Sanierungshilfen. Damit der Verteileffekt je Einwohner ungefähr gleich ist, gibt es einige eher willkürlich anmutende Stellschrauben wie etwa eine neue Bundeshilfe für die Forschungsförderung, welche an Länder gehen soll, die bei den direkten Zuschüssen des Bundes auf diesem Gebiet weniger stark zum Zug kommen, vor allem Niedersachsen. Nicht alle im Bundestag sehen im Ländervorschlag nur Negatives. Der Linken-Finanzpolitiker Axel Troost etwa hat „viele vernünftige Elemente“ ausgemacht.

Schäuble will Transparenz

Schäubles Modell ist ebenfalls dreistufig, sieht aber weiterhin einen echten Länderfinanzausgleich wie bisher vor. Das sei transparenter, heißt es im Bundesfinanzministerium. Es ist allerdings auch ein Affront gegen Seehofer. Zudem würden die Klagen der Landtage der Zahlerländer noch lauter werden über die direkten Abflüsse, die dann deutlich höher wären als im bisherigen vierstufigen System, in dem ein Teil vorab über die Umsatzsteuer verteilt wird. Im Falle Bayerns und Baden-Württembergs wären es jeweils etwa zwei Milliarden Euro mehr als im bisherigen System. Die finanzkräftigen Länder sind aber in die Verhandlungen gegangen, um ihre Direktzahlungen zu verringern.

Auch der Bundesvorschlag enthält Ausgleichskomponenten für die Finanzkraft der Kommunen und Zinshilfen für Bremen und das Saarland. Allerdings will Schäuble einige Länderideen nicht mitmachen, etwa die zusätzliche Forschungsförderung. Und er erhebt Zusatzforderungen, wie die Einführung einer Bundesautobahngesellschaft – die Länder sollen dafür einen Teil ihrer Straßenbauverwaltung hergeben, was denen aber nicht passt.

Wie weit beide Modelle zusammenpassen, ist umstritten. Für die Grünen-Abgeordnete Hajduk ist Schäubles Modell eine „Annäherung“ an den Ländervorschlag. Troost hingegen sieht eine „fundamentalistische“ Gegenposition und sagt: „Der Bund hat entweder kein Interesse an einer Einigung oder hofft auf einen Erfolg durch eine Riesenerpressungsaktion.“ Wie weit Merkel und Schäuble den Ländern entgegenkommen, dürfte auch davon abhängen, wie massiv diese ihre Forderungen bei den Flüchtlingskosten aufrechterhalten. Auch dieses Problem soll am 16. Juni geklärt werden.

Am Ende nur der Status quo?

Möglich wäre auch, dass am Ende ein mageres Ergebnis steht: eine nur leicht modifizierte Variante des Finanzausgleichs. Das deutete Schneider am Freitag im Bundestag an. Man könne die bis 2019 geltende Finanzausgleichsregelung entfristen, sagte er, mit einem zusätzlichen Bundesanteil zugunsten der Ost-Länder, Bremens und des Saarlandes. Schäuble deutete unlängst ebenfalls an, es könne seinetwegen beim alten Prozedere bleiben. Selbst Seehofer sagte, wenn man jetzt nicht weiterkomme, bleibe eben alles, wie es sei. Aber dann hätten Bund und Länder jahrelang umsonst vorgearbeitet. Und die Kanzlerin müsste am 16. Juni oder ein, zwei Gipfel später verkünden: Wir haben es nicht geschafft.

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