zum Hauptinhalt
Wolfgang Schäuble.

© dpa

Reform des Finanzausgleichs: Wolfgang Schäuble führt die Aufsicht

Bund und Länder haben jetzt ernsthafte Verhandlungen über die Neuordnung des Finanzausgleich begonnen. Schon im Dezember sollen die Ergebnisse vorliegen.

Wolfgang Renzsch kennt den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern wie wenige in Deutschland. Der Politikwissenschaftler aus Magdeburg hätte auch einige Ideen, wie man ihn reformieren könnte. Immerhin ist der Finanzausgleich seit Jahren in der Kritik, weil er kompliziert und intransparent sei - und weil das Verhältnis zwischen Zahlerländern (drei) und Nehmerländern (dreizehn) aus dem Lot sei. Seit Bayern und Hessen in Karlsruhe Klage eingereicht haben, weil ihnen die Zahlungen an andere Länder als zu hoch erscheinen, sind  neben Politologen und Ökonomen nun auch viele Juristen mit guten Ratschlägen auf dem Markt. In der Wissenschaft wird der Finanzausgleich seit Jahren munter debattiert. Aber Renzsch und seine Professorenkollegen werden wohl unter sich bleiben.

Regierungen unter sich

Denn die politisch Verantwortlichen wollen die Neuordnung des Finanzausgleichs lieber ohne größere wissenschaftliche Begleitung stemmen. Diese Neuordnung ist nötig, weil der Solidarpakt II Ende 2019 ausläuft und damit auch die bestehende Finanzverteilung zwischen Bund und Ländern. Wegen der Etatplanungen ist ein zeitlicher Vorlauf nötig, die große Koalition hat eine Neuregelung bis spätestens 2016 vereinbart. Im Gegensatz zu den beiden Anläufen zur Bundesstaatsreform in den Nullerjahren, die unter anderem die Schuldenbremse brachten, soll es dieses Mal keine Reformkommission samt professoraler Beratung geben. Das bedeutet aber auch: weniger Debatten über die Regierungen hinaus und weniger Öffentlichkeit. So haben es die Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin vereinbart, in der vorigen Woche schickten sie zur Vorbereitung der Finanzausgleichsreform ihre Finanzminister in die Spur. Im Dezember soll es schon Ergebnisse geben. Eine Beteiligung der Parlamente ist erst für die Monate danach vorgesehen; der Bundestag wird sich zwar einzumischen wissen, aber die Landtage (und die mitbetroffenen Kommunen) bleiben wohl völlig außen vor. Das spricht dafür, dass mit größeren Veränderungen am Finanzausgleich nicht zu rechnen ist (was im Kreis der Finanzminister auch bestätigt wird).

 Zeitdruck, weil Zeit vertan wurde

Diese Aussichten und die plötzliche Eile ärgern Renzsch. „Wir haben jetzt den Zeitdruck, weil zuvor viel Zeit vertan wurde“, sagt er. In der Tat wird auf der Ebene der Finanzminister schon seit zwei Jahren vorgearbeitet, aber die Ministerpräsidenten kamen nicht so recht in Schwung. Was kein Wunder ist: Die Interessen der Länder sind sehr unterschiedlich, die Bereitschaft, sich zu einigen, ist gering. Laut Renzsch folgt daraus: Der Zeitdruck und die Kluft zwischen den Ländern werden die Rolle des Bundes stärken.

 Moderator oder Lenker?

Und so tritt nun Wolfgang Schäuble auf die Bühne. Als Moderator, wie es ein Beamter im Bundesfinanzministerium ausdrückt, der zunächst nicht mit eigene Vorschlägen auftreten werde. Man könnte aber auch sagen: Schäuble und sein resoluter Staatssekretär Werner Gatzer werden die Aufsicht führen und die Lenkung übernehmen. Schäuble hat seinen Länderkollegen zunächst einen strammen Zeitplan vorgelegt: Über den Sommer hinweg arbeiten die Staatssekretäre vor und tragen die relevanten Daten zusammen, ab 4. September verhandeln die Minister. Sie sollen zweigeteilt vorgehen. Im ersten Teil geht es vor allem um die Finanzströme zwischen und und Ländern, im zweiten um die zwischen den Ländern. Zunächst geht es vor allem um die Frage: Was passiert mit dem Solidaritätszuschlag? Abgeschafft soll er nicht werden, so viel ist klar. Bisher bekommt ihn der Bund allein, zur Deckung der Einheitskosten, also für Zuschüsse an den Osten und zur Schuldentilgung.  Künftig dürfte er geteilt werden und wird so zum Schmiermittel, um die Länderseite in Bewegung zu bringen. Im Gespräch ist vor allem ein Altschuldenfonds, den sich die Länder mit höheren Schulden wünschen und der aus den "Soli"-Einnahmen gespeist werden könnte. Bayern und Sachsen, gering verschuldet, sind hier strikt dagegen; allerdings tilgt die Regierung in Dresden die Schulden mit Blick auf den möglichen Altschuldenfonds weitaus weniger, als es ihr möglich wäre. Zudem dürfte der Bund noch mehr in die Finanzierung von Soziallasten einsteigen und damit Länder und Kommunen entlasten – bei der Grundsicherung, dem Bafög und der Eingliederungshilfe für Behinderte hat er das schon getan. Die Länder erwarten noch mehr.

 Bayern kündigt Widerstand an

Im zweiten Schritt soll es um den Länderfinanzausgleich im engeren Sinne gehen, also um die Zahlungen der Länder untereinander. Es ist zwar nur die dritte von vier Stufen in dem gesamten Ausgleichssystem, aber die am meisten umstrittene - weil sie über die Landesetats läuft und nicht über die "unsichtbare" Vorabverteilung der Steuern. Die Hoffnung ist, dass bei Lösungen im ersten Teil – also einer Altschuldenregelung – hier mehr zu erreichen ist. Allerdings wehrt sich vor allem Bayern gegen diese Zweiteilung: Alles hänge mit allem zusammen, sagt Finanzminister Markus Söder (CSU) in München. Er hat vorerst Fundamentalwiderstand angekündigt und einen Zehnpunkteplan vorgelegt: darunter die Deckelung der bayerischen Zahlungen im Länderfinanzausgleich um eine Milliarde Euro (die Erwartung in Bayern geht dahin, dass es ohne Reform demnächst fünf Milliarden sein werden); keinerlei Entschuldungsfonds; Abschaffung der höheren Einwohnerwertung der Stadtstaaten, die auch dazu führt, dass Berlin Hauptnehmerland ist; mehr Leistungen des Bundes für die Bundeshauptstadt; Halbierung des Solidaritätszuschlags, damit auch die Bürger etwas haben. Das bayerische Auftrumpfen verärgert nahezu den gesamten Rest der Länder. „Wir werden mit dem sechzehnten Land zuletzt reden, wenn dieses Land so weitermacht“, zürnt der Magdeburger Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD). Doch die Isolierung Bayerns endet spätestens im Bundestag – die CSU hat dort innerhalb der Unionsfraktion und damit in der Koalition eine Art Vetorecht.

 Im Zentrum der Debatte: die Hauptstadt

In München zielen sie vor allem auf Berlin. Wenn eine stärkere Finanzierung der Hauptstadt durch den Bund gelingt, dann kann man sich in München offenbar auch vorstellen, dass der direkte Länderfinanzausgleich ganz entfällt. Hier könnten die Länder also zusammenkommen. Schäuble steht so vor keiner ganz einfachen Aufgabe. Einseitige Belastungen des Bundes dürfe es nicht geben, heißt es aus seinem Ressort. Hans Eichel kennt als Ex-Ministerpräsident von Hessen und Ex-Bundesfinanzminister beide Seiten. Von ihm stammt das Bonmot: „Es verlässt keiner den Tisch als Verlierer, außer der Bund.“ Hinter dem steht am Ende aber der Steuerzahler.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false