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Reformen: Köhler kritisiert "Sandkastenspiele" der Koalition

Bundespräsident Horst Köhler hat deutliche Kritik an der großen Koalition geübt und einen stärkeren Reformwillen angemahnt. Die Regierung sei "zu sehr in Parteipolitik verhaftet und zu wenig konzentriert auf Sachprobleme".

Berlin - Die Regierung müsse sich auf die Sachprobleme konzentrieren und nicht ihre «Ressourcen binden in politischen Sandkastenspielen», sagte Köhler in der ZDF-Sendung «Berlin direkt», die am Sonntagabend ausgestrahlt werden sollte. Köhler zeigte sich zugleich überzeugt, die Arbeitslosigkeit von zehn auf fünf Prozent senken zu können. Kanzleramtschef Thomas de Maizière (CDU) sagte, die Arbeit der Koalition sei besser als es scheine. Union und SPD arbeiteten auf einer «Großbaustelle», um das Land in Ordnung zu bringen: «Und Großbaustellen sehen nie besonders übersichtlich aus.»

Die große Koalition sei «keine Entschuldigung, die großen Themen nicht entschlossen genug anzupacken», mahnte der Bundespräsident weiter. «Ich habe keine Zweifel, dass diese Koalition die richtigen Dinge anpacken will, aber noch hat sie sich nicht gefunden - so zu sagen in der Ernsthaftigkeit der Herausforderung, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren», bemängelte Köhler.

Köhler will sich weiter einmischen

Der Bundespräsident kündigte an, sich trotz gelegentlicher Kritik an seiner Amtsführung weiterhin aktiv in die politische Diskussion einbringen zu wollen: «Denn ich bin nicht Bundespräsident geworden, um nur zu repräsentieren, sondern im Rahmen meines Amtes mitzuhelfen, dass wir als Land, als Volk, vorankommen.» Es gehöre zur Rolle des Bundespräsidenten, «dass er die Dinge mit seinem Sachverstand benennt». Gerade in einer Zeit großer wirtschaftlicher Herausforderungen mit entsprechend großen sozialen Problemen könne auch sein ökonomischer Sachverstand helfen. Deutschland habe schwerwiegende Herausforderungen. Jetzt müsse begonnen werden, diese zu lösen. «Dann können wir auch was schaffen», betonte er.

De Maizière sagte am Sonntag im Deutschlandfunk, manches in der großen Koalition werde zu Unrecht als Konflikt zwischen Union und SPD gedeutet. Oft handele es sich um Interessensgegensätze zwischen den Ministerien oder um einen Streit, der auch bei absoluter Mehrheit einer Partei vorkommen könnte. Er habe keinen Zweifel daran, dass die Regierung unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die gesamte Legislaturperiode halten werde.

Künast: Grüne offen für Schwarz-Gelb-Grün

Die Fraktions-Chefin der Grünen im Bundestag, Renate Künast, erwartet dagegen den Bruch der großen Koalition. «Ich sehe niemanden, der darauf wettet, dass diese Koalition bis zum Ende der Legislaturperiode durchhält», sagte Künast der Zeitschrift «Super Illu». Spätestens bei der Gesundheitsreform habe sich gezeigt, «dass Union und SPD sich gegenseitig lahmlegen und weder den Mut noch die Kraft haben, die Probleme anzupacken». Nach einem Ende der großen Koalition wären die Grünen nach Künasts Angaben auch für Regierungsbündnisse mit der Union und der FDP offen. «Im Gegensatz zu früher sind die Gräben zwischen den Parteien nicht mehr unüberwindbar. Das ist ein Fortschritt», sagte Künast.

De Maizière lehnte dagegen im «Handelsblatt» (Montagsausgabe) Dreierbündnisse auf Bundesebene ab. Grundsätzlich sei es so, dass viele Koalitionspartner nur der Gemeinwohlorientierung der Politik schadeten. «Je kleiner Volksparteien werden und je größer kleinere Parteien, desto mehr wird es immer nur um die Anhäufung von Klientelinteressen gehen», sagte er. De Maizière kritisierte, dass FDP und Grüne bereits sieben Monate nach der Bundestagswahl weniger über alternative Regierungskonzepte redeten als über die Frage, wer mit wem regieren wolle. (tso/AFP)

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