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Reformkurs: Köhler redet Koalition ins Gewissen

Entgegen den Äußerungen von SPD-Chef Beck sieht Bundespräsident Köhler Deutschland erst am Anfang langwieriger Reformen. Sein Veto gegen zwei Gesetzesvorlagen verteidigte er vehement: "Der Bundespräsident ist kein Unterschriftenautomat", so Köhler.

Berlin - Bundespräsident Horst Köhler hat die große Koalition eindringlich davor gewarnt, bei ihren Reformbemühungen nachzulassen. "Die notwendige grundlegende Erneuerung Deutschlands haben wir noch nicht geschafft. Da stehen wir erst am Anfang", sagte Köhler dem "Spiegel". SPD-Chef Kurt Beck hatte jüngst ein Ende des harten Reformkurses in Aussicht gestellt, sobald die bereits auf den Weg gebrachten Reformen zu Ende geführt seien. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte dies aber zurückgewiesen.

Köhler sagte, zwar habe sich die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft deutlich verbessert. "Das ist aber kein Grund, sich schon wieder zurückzulehnen", mahnte das Staatsoberhaupt: "Wir schaffen kein Vertrauen, wenn wir zwei Schritte vor und anschließend wieder einen oder zwei zurück machen."

Beck erhielt auch Widerspruch aus den eigenen Reihen. Brandenburgs Finanzminister Rainer Speer (SPD) sagte im Deutschlandradio Kultur: "Ich verstehe den Kollegen Beck an der Stelle, der sagt, irgendwo muss man auch eine Zumutbarkeitsgrenze spüren und definieren." Wenn man sich aber die Entwicklung anschaue, dann wisse man, dass die Sozialsysteme mit den eingeleiteten Reformen auf Dauer nicht sicher seien. Die Reformpolitik gehe weiter.

Westerwelle: "Kamikaze-Strategie"

FDP-Chef Guido Westerwelle warf Beck Reformmüdigkeit vor. "Wer im Angesicht der Konkurrenz aus China, Indien, Russland, Ost- und Südeuropa, Nord- und Südamerika dazu aufruft, jetzt erst einmal auszuruhen und die Hände in den Schoß zu legen, der empfiehlt Deutschland eine Kamikaze-Strategie", sagte Westerwelle der "Bild"-Zeitung.

Der ehemalige SPD-Vorsitzende und jetzige Linksfraktionschef im Bundestag, Oskar Lafontaine, schenkt der Beck-Ankündigung, den harten Reformkurs zu beenden, keinen Glauben. Lafontaine sagte dem "Tagesspiegel": "Beck ist dort unglaubwürdig. Er müsste zeigen, dass er tatsächlich eine andere politische Richtung einschlagen will." Der SPD-Vorsitzende habe nur "wolkige Worte" gemacht, bleibe in Wahrheit aber "auf dem Irrweg der Sozialkürzungen".

"Bundespräsident kein Unterschriftenautomat"

Köhler kündigte unterdessen an, sich auch künftig mit klaren Worten an der politischen Debatte in Deutschland zu beteiligen. "Ich finde, die Bürger haben ein Recht, zu wissen, was der Bundespräsident über bestimmte Dinge denkt." Er mahnte die Regierung zu größerer Sorgfalt bei der Formulierung neuer Gesetze. Man müsse auch einen Blick auf die Gesetzgebungskultur werfen, "wenn wir uns auf die Suche nach den Ursachen für die Distanz zwischen Bürgern und Politik machen", sagte der Präsident.

Köhler verteidigte auch seine Entscheidung, zwei Gesetzen der großen Koalition wegen verfassungsrechtlicher Bedenken die Unterschrift zu verweigern. Der Präsident habe bei neuen Gesetzen nicht nur ein Prüfungsrecht, sondern auch eine Prüfungspflicht. "Mir geht es um die Treue zum Grundgesetz. Der Bundespräsident ist kein Unterschriftenautomat", sagte Köhler. Gegebenenfalls müsse die Bundesregierung gegen den Bundespräsidenten klagen: "Im Übrigen ist der Weg nach Karlsruhe offen, auch wenn der Bundespräsident ein Gesetz nicht unterschreibt." (tso/dpa)

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