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Eine Szene vom Sommer 2015, aufgenommen im griechischen Kos. Spätestens seit 2015 ist der EU klar, dass sie ihre Asylpolitik ändern muss.

© Bulent Kilic, AFP

Refugees welcome?: Asyl wird wieder Thema - und die EU hat immer noch keinen Plan

Die EU-Länder streiten über Flüchtlingsverteilung, Einzelstaaten machen Einzelregeln, Frontex steht in der Kritik. Über eine grausame Hybris. Ein Zwischenruf.

Ein Zwischenruf von Barbara John

Die Pandemiethematik wird weniger, und das Asylthema kehrt zurück mit auffälligen  Symptomen. Die Zahl der Asylgesuche ist in den ersten fünf Monaten dieses Jahres im Vergleich zu 2020 um 40 Prozent auf 67.446 Anträge (Erst- und Folgeanträge) gestiegen. Nach Berichten aus Brüssel sollen in Transitländern wie den Maghrebstaaten, Ägypten und der Türkei noch Hunderttausende Menschen darauf warten, dass ihnen Schlepper eine Überfahrt nach Europa vermitteln.

Schon streiten die EU-Innenminister, wo die Neuankömmlinge bleiben könnten: in den Ankunftsländern, etwa Italien und Griechenland? Oder sollen sie nach Deutschland und Dänemark weitergeschickt werden? Die Mitgliedländer haben sich in diesem Punkt nicht angenähert, eher entfernen sie sich noch deutlicher voneinander.

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Dänemark hat das Antragsrecht auf Asyl mit einem mehrheitlich im Parlament beschlossenen Gesetz in ein Asylantragsverbot im eigenen Land verwandelt. Wer dennoch kommt, soll ohne Verfahren in ein Asylzentrum außerhalb der EU gebracht werden und dort sein Anliegen vorbringen.

Das geschieht in einem Land, das in den 1980er Jahren für seine Liberalität in Asylfragen bekannt wurde. Hat es sich in eine rassistische Gesellschaft verwandelt? Wäre es gerechtfertigt, die in Dänemark regierenden Sozialdemokraten, die das Gesetz eingebracht haben, politisch gleichzusetzen mit der migrantenfeindlichen Haltung der AfD? Keineswegs. Das geben die Begründungen für diesen Schritt nicht her.

Dänemark hat das Vertrauen in die EU verloren

Überdeutlich wird dagegen, dass Dänemark offenbar jedes Vertrauen verloren hat, dass die EU in der Asylfrage auch nur im Ansatz eine gemeinsame Lösung finden kann – auch, damit sich die Ereignisse aus 2015 nicht wiederholen. Die dänische Regierung kann zwar die eigenen Grenzen kontrollieren, aber ohne Sicherung der Außengrenzen wird auch das immer schwieriger.

Bei der Grenzschutzagentur Frontex wächst derweil zwar ständig die personelle und finanzielle Ausstattung, aber ihr offizieller Auftrag bleibt wissentlich doppelbödig: einerseits  Schleusertätigkeiten verhindern, andererseits das Recht der Geschleusten nicht behindern, ein Asylgesuch auf dem Boden der EU stellen zu können. Wie das nicht zusammenpasst, zeigt der Streit über die Frontex-Einsätze.

Schon seit 1999 arbeitet die EU am Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS), ohne Erfolg. Die Sicherung der Außengrenzen ist kein Thema. Und Alternativen wie Botschaftsasyl und umfassendes Resettlement gelten als nicht europakonform. So nimmt die EU unausgesprochen das unvermeidbare Sterben von Migranten im Mittelmeer  weiter in Kauf. Was für eine grausame Hybris. 

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