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Politik: Rege Beteiligung bei Präsidentenstichwahl in Ghana Der Mahner vor dem Kulturkrieg Zum Tod des Politologen Samuel P. Huntington

Accra - Im westafrikanischen Staat Ghana ist am Sonntag in einer Stichwahl ein neuer Präsident bestimmt worden. Trotz vereinzelter gegenseitiger Gewalt- und Manipulationsvorwürfe zwischen Regierung und Opposition verlief die Wahl bei einer regen Beteiligung friedlich.

Accra - Im westafrikanischen Staat Ghana ist am Sonntag in einer Stichwahl ein neuer Präsident bestimmt worden. Trotz vereinzelter gegenseitiger Gewalt- und Manipulationsvorwürfe zwischen Regierung und Opposition verlief die Wahl bei einer regen Beteiligung friedlich. Schon am Morgen hatte es lange Schlangen vor den Wahllokalen gegeben. Die Präsidentenwahl gilt als wichtiges Signal für demokratischen Wandel für ganz Afrika; zugleich wurde sie von den Spitzenkandidaten zu einem Referendum darüber stilisiert, ob von den wirtschaftlichen Erfolgen des nach acht Jahren scheidenden Präsidenten John Kufuor auch der Durchschnittsbürger genug abbekommen hat.

In der ersten Runde am 7. Dezember hatte der von Kufuor unterstützte Nana Akufo-Addo von der Neuen Patriotischen Partei (NPP) 49,1 Prozent der Stimmen bekommen, Oppositionsführer John Atta Mills vom Nationaldemokratischen Kongress (NDC) 47,9 Prozent. Internationale Wahlbeobachter bezeichneten die Abstimmung als exemplarisch; 58 Beobachter von der Organisation des früheren US-Präsidenten Jimmy Carter waren auch am Sonntag wieder in Ghana.

Unter Kufuor haben sich die Investitionen aus dem Ausland um 2000 Prozent erhöht und die Exporte verdoppelt. Dennoch ist Ghana noch immer eines der ärmsten Länder der Welt. Die Arbeitslosigkeit beträgt zehn Prozent, 40 Prozent der Bevölkerung sind Analphabeten. Der Durchschnittsverdienst liegt bei 3,80 Dollar am Tag.

Entscheidend für das Ergebnis der Stichwahl, das für Dienstag erwartet wird, ist die Wahlbeteiligung. Im ersten Wahlgang hatten mehr als 70 Prozent der gut zehn Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Eine niedrigere Wahlbeteiligung würde vermutlich die Opposition begünstigen.

Oppositionskandidat Atta Mills erklärte am Samstagabend, die Regierungspartei habe Schläger angeheuert, die in den Wahllokalen für Unruhe sorgen sollen. Sprecher der Regierungspartei warfen der Opposition vor, mit Flugblättern ethnischen Hass anzustacheln. Der erste Wahlgang war ohne Ausschreitungen verlaufen. Wahlbeobachter der Europäischen Union hatten die Wahl als demokratisch und fair gewürdigt. Präsident Kufuor rief die Bevölkerung zu einer friedlichen Stimmabgabe auf: „Wir sollten alle Ruhe bewahren und unsere Stimme abgeben, so wie es unser Recht ist.“ AP/epd

Berlin - Als sein Aufsatz 1993 in der renommierten Zeitschrift „Foreign Affairs“ erschien, war die Welt zwar gerade erst, aber doch scheinbar auf Dauer in Ordnung. „Der Zusammenprall der Zivilisationen?“ war der 28-seitige Aufsatz überschrieben, vorsichtig mit einem Fragezeichen versehen, das drei Jahre später in der 600-seitigen Buchausgabe bereits selbstbewusst fehlte. Die vermeintliche These des amerikanischen Politikwissenschaftlers Samuel P. Huntington wurde Gemeingut: dass der Westen künftig nicht mehr mit dem untergegangenen Ostblock, sondern mit dem Islam Konflikte austragen werde. So hatte es Huntington allerdings nicht gemeint. „Meine Hypothese lautet, dass die Urquelle von Konflikten in dieser neuen Welt“ – derjenigen nach dem Ende des Ostblocks – „in erster Linie weder ideologisch noch ökonomisch sein wird. Die großen Trennlinien unter der Menschheit und die vorrangigen Quellen von Konflikten werden kultureller Natur sein.“

Was sich so einfach liest – und in seiner staunenswerten, nicht weniger als 58 Jahre währenden Lehrtätigkeit an der Harvard-Universität wusste Huntington präzise zu formulieren –, bedeutete tatsächlich einen vollständigen Bruch mit einer jahrzehntelangen Denktradition. Huntington hat später selbst auf das bahnbrechende Buch von Thomas S. Kuhn hingewiesen – „Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen“, das den Wechsel wissenschaftlicher Paradigmen zum Gegenstand hat. Das alte Paradigma der Nachkriegszeit, in der die ökonomisch überlegenen und darum attraktiven USA die Weltpolitik gegen ideologisch verfeindete, aber unterlegene Mächte dominieren, hatte überlebt. Doch das „Ende der Geschichte“, das Francis Fukuyama bereits kurz vor dem Fall der Mauer 1989 vorschnell verkündete, trat – so Huntingtons verstörende Botschaft – mitnichten ein. Stattdessen zeigten sich nunmehr zivilisatorische Grundmuster, die zuvor unter dem Deckmantel von Ost-West-Konflikt und daneben auch der Dekolonialisierung verborgen gewesen waren.

Samuel Phillips Huntington wurde am 18. April 1927 in New York geboren. Nach einem Studium in Yale begann er 1949 an der Universität von Harvard zu unterrichten, von wo er sich erst im vorigen Jahr anlässlich seines 80. Geburtstags zurückzog. Huntington verfasste 17 Bücher und mehr als 90 größere Aufsätze, die um das Grundthema des Wandels der Kulturen kreisen. So beschäftigte er sich in seinem letzten Buch 2004 – „Who are we? Die Krise der amerikanischen Identität“ – mit dem Anwachsen der hispanischen Minorität und sagte das allmähliche Verschwinden der seit den Zeiten der Gründerväter gepflegten Ideale der USA voraus. Die von Huntington geforderte „Assimilation“ der Zuwanderer und die Kritik am „Multikulturalismus“ trug ihm den Vorwurf ein, ein typischer Vertreter der weißen, angelsächsischen US-Ostküste zu sein.

In seinem Buch mit dem in deutscher Übersetzung zugespitzten Titel „Kampf der Kulturen“ unterscheidet Huntington acht Zivilisationen, von denen drei – der amerikanisch-europäische Westen, Japan und mit Abstrichen Indien – dem Ideal der liberalen Demokratie entsprechen. Daneben zählt Huntington den islamischen, den chinesischen, den slawisch-orthodoxen Kulturkreis zu den beständigen Zivilisationen. Lateinamerika und Afrika bleiben wegen des Fehlens eines machtzentrierenden „Kernstaats“ problematisch.

Die Kritik an der bestimmenden Rolle der Religion, insbesondere im islamischen Kulturkreis, ist vielfach als Forderung interpretiert worden, religiöse Bindungen zurückzudrängen. Huntington hat jedoch auch auf den quasi-missionarischen Charakter des westlichen „Universalismus“ hingewiesen, der die Achtung der Menschenrechte in den Mittelpunkt rückt – eine Forderung, die in anderen Zivilisationen nicht verankert ist. Insgesamt ergibt sich aus der multipolaren Welt, wie Huntington sie zeichnet, eine Fülle von Koalitionen und Konfliktherden, die sich nicht mehr machtpolitisch und ökonomisch, sondern nur unter Beachtung der kulturellen Traditionen erklären und damit auch bewältigen lassen. Am 24. Dezember ist Huntington, wie seine Alma Mater Harvard jetzt erst bekanntgab, an seinem Wohnsitz auf Martha’s Vineyard gestorben – der vor Boston gelegenen Insel des weißen Ostküsten-Establishments. Bernhard Schulz

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