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Politik: Regieren im Schraubstock

Ministerpräsident Steinbrück ist ein Jahr im Amt – und hat hoffen gelernt

Wenn der Mann stutzt und vor sich hinmurmelt, „ich verstehe das nicht“, muss Ungewöhnliches passiert sein. Vergangenes Wochenende gab es einen solchen Moment im Leben des Peer Steinbrück. Meinungsforscher hatten von den Menschen zwischen Ruhr und Weser wissen wollen, ob ihr Ministerpräsident zumindest mit seinen Sparvorschlägen für die Beamten richtig liege und ob auch sie wollten, dass Staatsdiener mehr arbeiten und weniger Weihnachtsgeld bekommen. Die Antwort lautet: Nein. Jeder zweite Bürger verurteilt den harten Kurs des Clement-Nachfolgers, nur eine Minderheit hält das für zielführend.

Auch Tage danach will sich dem Sozialdemokraten das Ergebnis nicht erschließen. „Entweder haben wir noch nicht gut genug erklärt, was wir politisch mit der Agenda bewegen wollen, oder die Mehrheit versucht noch immer, der Realität auszuweichen“, urteilt Steinbrück, der in solchen Situationen die Mundwinkel hängen lässt, wie er es zu Beginn seiner Amtszeit vor Jahresfrist häufiger getan hat. Damals hatten ihn die Grünen über Gebühr genervt. Sie hatten sich gegen das Lieblingsprojekt seines Vorgängers gestellt, den Metrorapid, und standen auch sonst verdächtig oft auf der Seite derer, für die Bewegung und wirtschaftlicher Aufbruch Teufelszeug ist.

Als Reaktion brach er einen Krach vom Zaum, der das rot-grüne Bündnis an den Abgrund führte. „Wir brauchen jetzt Klarheit und dann Verlässlichkeit“, lautete seine Parole. Eine Koalition mit den Liberalen, sogar mit der CDU in Düsseldorf schien denkbar.

Doch während Steinbrück mit den Grünen und vor allem mit Bärbel Höhn kämpfte, änderten sich in Berlin die Vorzeichen. Schröder schaffte die Wende, Steinbrück wurde fortan auf Rot-Grün verpflichtet. Dafür hatte dieser nun ein Programm erarbeitet, das die Gewähr dafür bietet, dass Rote und Grüne bis 2005 reibungsloser zusammenarbeiten als je zuvor in Düsseldorf.

Ob dies allein für die Wiederwahl ausreicht, ist jedoch höchst unsicher. Den Koalitionswechsel konnte er nicht durchsetzen, also muss er darauf warten, dass die Agenda 2010 Reformdividende abwirft. „Wir stecken da im Schraubstock“, heißt das bei Steinbrück, der zudem genau beobachtet, dass weite Teile in Partei und Wählerschaft im Revier von alten Zeiten träumen. Doch: „Kein Ministerpräsident vor mir hatte so wenig Spielraum zu verteilen“, urteilt Steinbrück. Dass sein Gegenspieler Jürgen Rüttgers mal dieses, dann jenes verspricht, löst bei ihm nur Achselzucken aus. „Ein Zurückweichen würde jetzt bedeuten, dass die SPD nicht nur kurzfristig ihre Regierungsfähigkeit verliert, sondern sich auf lange Sicht von der Macht verabschiedet und zu einer strukturkonservativen Partei wird", meint der Düsseldorfer Regierungschef.

Danach fährt er übers Land und erklärt diese trockene Botschaft den Menschen. „Auch wer nur die Welt beschreibt, wie sie ist, verändert sie bereits“, hat er von Willi Brandt gelernt, der ihn 1969 so fasziniert hat, dass er der SPD beitrat. Wenn er das auf dem Land im kleinen Kreis erzählt, wird es ganz still, und er hat den Eindruck, dass vielleicht noch nicht alles verloren ist. Manchmal erinnert er sich dann an die Umfragen vor der Landtagswahl 2000. Damals war Wolfgang Clement ähnlich abgeschlagen wie heute Steinbrück. Am Wahlabend aber nahm er Jürgen Rüttgers gut fünf Punkte ab.

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