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Politik: Regierung bedrängt unabhängige Organisationen und Kriegsgegner

Gegner des Tschetschenienkrieges haben es in Russland schwer, gehört zu werden. Die Medien reiten nach wie vor auf der Welle allgemeiner Kriegsbegeisterung.

Gegner des Tschetschenienkrieges haben es in Russland schwer, gehört zu werden. Die Medien reiten nach wie vor auf der Welle allgemeiner Kriegsbegeisterung. Wer gegen den Strom schwimmt, muss mit massiven Stimmverlusten bei den Parlamentswahlen am Sonntag rechnen. Vorsichtige Kritik an Moskaus "Anti-Terror-Operation", die der Chef der sozialliberalen Reformpartei "Jabloko", Grigorij Jawlinski, einen simplen Rachefeldzug nannte, kosteten das Bündnis bei jüngsten Meinungsumfragen immerhin fast vier Prozentpunkte. Zwar kann Premier Wladimir Putin sich bei der "Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung" im aufmüpfigen Tschetschenien nach wie vor auf eine satte Mehrheit stützen. Dennoch plädierten 24 Prozent aller Befragten für Schonung der Zivilbevölkerung. Doch deren Stimme könnte alsbald verstummen. Ganz legal.

Für Menschenrechtsorganisationen in Russland nahen schlimme Zeiten, warnte der Vorsitzende der "Stiftung zum Schutz der Transparenz", Alexej Simonow kürzlich. Seit Beginn des Kaukasuskrieges, so Simonow, habe der Staat seinen Anstrengungen verstärkt, die in Russland tätigen Menschenrechtsgruppen zu vereinnahmen und sogar zu diskreditieren. Kreml und Regierung seien bestrebt, unabhängige Gruppen durch gelenkte und verbürokratisierte staatliche Strukturen auszuhebeln. Gegenwärtig bestehen in Russland bereits zwei staatsnahe Kommissionen, die sich offiziell um die Menschenrechte kümmern: eine beim Präsidentenamt und eine weitere in der Duma. Beide sollen, wie Simonow sagt, "den Menschen die Illusion vermitteln, dass Staat und Öffentlichkeit in Sachen Menschenrechte gemeinsam an einem Strang ziehen."

Wohin die Reise wirklich geht, wurde bei einer Umregistrierung deutlich, zu der das russische Justizministerium in den letzten beiden Jahren alle nichtstaatlichen Bewegungen verdonnerte. Mehreren unabhängigen Menschenrechtsbewegungen wurde dabei die Verlängerung der Zulassung wegen angeblicher Formfehler verweigert. Für besonders krass hält Simonow den Fall der Moskauer Bewegung "Ökologie und Menschenrechte". Diese musste ihre Tätigkeit einstellen, weil sich in ihren Statuten ein Satz fand, wonach die Bewegung sich "zum Schutz der Menschenrechte" gegründet habe. Die Beamten forderten die Antragsteller auf, die Satzung zu ändern: Dort dürfe lediglich stehen, dass die Organisation "den Staat beim Schutz der Menschenrechte unterstützt". Damit werde den Bewegungen die Möglichkeit genommen, sich unabhängig vom Staat zu engagieren, warnte Simonow, wodurch alternative Gruppen "ihren Daseinszweck verlieren".

Dass ausgerechnet Menschenrechtsgruppen in Russland zunehmend wieder als staatsgefährdend gelten, ist kein Zufall. Mit landesweit etwa 20 000 aktiven Mitgliedern und fast 100 000 Sympathisanten ist die Bewegung nach der Kommunistischen Partei die zweitstärkste politische Organisation Russlands. Gut ein Drittel aller Menschenrechtsgruppen ist durch die erzwungene Umregistrierung bereits aus dem Rennen. Den übrig Gebliebenen sollen nun offenbar die Finanzämter den Todesstoß versetzen: Gemeinnützige Organisationen sollen künftig bei der Besteuerung mit profitorientierten Unternehmen über einen Leisten geschlagen werden und 30 Prozent aller Spenden und Zuschüsse, darunter auch Beihilfen von internationalen Dachorganisationen wie "amnesty international" und "Greenpeace", als Gewinnsteuer abführen. Entkommen kann der Steuerfalle nur, wer eine Bescheinigung staatlicher Stellen vorlegen kann, dass seine Arbeit "sich in Übereinstimmung mit den Interessen des Staates" befindet und damit förderungswürdig ist.

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