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Politik: Regierung in Etappen

Das irakische Parlament wählte ein Kabinett – doch wichtige Posten bleiben nach wie vor unbesetzt

Mehr als drei Monate nach der Parlamentswahl in Irak ist die Regierung unter Ministerpräsident Ibrahim Dschaafari am Dienstag vereidigt worden. Allerdings blieben sieben Posten weiterhin unbesetzt, weil keine Einigung mit den Vertretern der sunnitischen Bevölkerungsminderheit erzielt werden konnte. Damit werden wichtige Ministerien wie das für Verteidigung und für Erdöl weiterhin nur kommissarisch geleitet. Ministerpräsident Dschaafari erklärte nach der Zeremonie, die Ernennung der restlichen Minister habe sich verzögert, weil die Sunniten sich untereinander nicht auf einen Kandidaten für das Amt des Verteidigungsministers einigen konnten. Dies werde in „zwei bis drei Tagen“ geschehen, hofft Dschaafari. Er hatte bereits am Donnerstag sein Teil-Kabinett vorgestellt, das vom Parlament mit großer Mehrheit akzeptiert worden war.

Die Regierungsbildung hatte sich immer wieder verschoben, weil es Schiiten und Kurden, den Wahlsiegern, nicht gelang, die sunnitischen Araber ins Boot zu holen. Die Gruppe macht etwa 20 Prozent der Bevölkerung aus, von den 275 Parlamentssitzen sind jedoch nur 17 an sunnitische Kandidaten gegangen. Diese hatten zur Hälfte auf schiitischen Wahllisten kandidiert. Die Sunniten-Organisationen hatten die Wahlen boykottiert und die meisten sunnitischen Wähler hatten aus Sicherheitsgründen nicht teilgenommen.

Schiiten und Kurden boten der sunnitischen Minderheit sechs Ministerposten und einen der Stellvertreterposten des Premierministers an, sieben von 37 Ämtern im Kabinett. Die sunnitischen Vertreter, die mit Dschaafari verhandeln, forderten jedoch einen Ministerposten mehr und beklagten, dass ihnen außer dem Verteidigungsministerium nur zweitrangige Ministerien angeboten wurden.

Doch hinter dem Gerangel um Posten steht eine Auseinandersetzung um die Leitlinien der zukünftigen Politik: Während einige Gruppen der schiitischen Wahlallianz eine gründliche „Ent-Baathifizierung“ fortsetzen wollen, fordern die Sunniten Garantien, dass nur jene Angestellte aus dem öffentlichen Dienst ausgeschlossen werden sollen, die Straftaten begangen haben. Sie fordern außerdem die Freilassung von Sympathisanten der Aufständischen, die nicht strafrechtlich verurteilt wurden. Die Schiiten dagegen wollen Armeeeinheiten auflösen, in denen Offiziere dienen, die bereits unter Saddam Hussein mit der Niederschlagung von Aufständen betraut waren. Das Ergebnis dieser Verhandlungen über die Ent-Baathifizierung wird vorgeben, wie die neue Regierung mit den militanten Gruppen umgehen wird.

Der scheidende Staatspräsident Ghazi Jawar, der als Vermittler zwischen der Regierung und den sunnitischen Gruppen agierte, ist in der neuen Regierung nicht vertreten. Er war bei der Vereidigungszeremonie nicht anwesend. Jawar zeigte sich vergangene Woche nach der Vorstellung des Teilkabinetts verärgert. „Die Regierung spiegelt die Wahlergebnisse wieder und ist keine nationale Regierung“, kritisierte er. Sie sunnitischen Kandidaten könnten völlig auf eine Beteiligung an der Regierung verzichten, wenn ihre Forderungen nicht erfüllt würden, warnte er. Damit wären die Sunniten vom politischen Prozess ausgeschlossen und die Chancen, den bewaffneten sunnitischen Widerstand zu beenden, wären deutlich gesunken. Eine rein kurdisch-schiitische Regierung würde auch die Beziehungen zu den größtenteils sunnitisch dominierten Nachbarländern belasten. Doch auch innerhalb der schiitischen Wahlallianz gibt es Auseinandersetzungen. So konnte man sich bis zur Vereidigung der Regierung nicht auf einen Kandidaten für das Ölministerium einigen, das der umstrittene Politiker Ahmed Chalabi kommissarisch leitet.

Die neue Regierung, um deren Zusammensetzung seit drei Monaten gestritten wird, soll eigentlich nur bis zu Neuwahlen im Dezember im Amt sein. Bis dahin soll eine neue Verfassung ausgearbeitet und per Referendum angenommen werden. Angesichts der ständigen Verzögerungen gerät dieser Zeitplan ins Wanken.

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