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CSU Sitzung des CSU Vorstandes. Auf einer Pressekonferenz der CSU gibt der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer die neuen Minister für das neue Bundeskabinett bekannt. Er selber wird neuer Bundesinnenminister.

© imago/ Falk Heller

Regierungsbildung: Was auf die CSU-Minister in Berlin zukommt

Horst Seehofer hat entschieden, wer aus der CSU mit in die Bundesregierung geht. Was verbindet die Truppe aus Bayern in Berlin?

Von Robert Birnbaum

Langsam füllt sich Angela Merkels viertes Kabinett. Die CDU-Minister sind bereits benannt, am Montag folgte die CSU. Die SPD will ihre Personalfragen im Lauf der Woche klären. Auch etliche Parlamentarische Staatssekretäre und Beauftragte müssen noch benannt werden. Die Chefin drängelt schon: „Es wird wichtig sein, dass wir schnell als Regierung auch mit dem Arbeiten beginnen“, mahnt Merkel in einer kurzen Stellungnahme vor der Sitzung ihrer Parteigremien. Und auch ihr Fraktionschef Volker Kauder drückt aufs Tempo: „Wir haben ein halbes Jahr seit der Wahl verloren, das müssen wir wieder reinholen.“ Viel Zeit zum Einarbeiten bleibt für Neue am Kabinettstisch nicht.

Wen nimmt Horst Seehofer mit in die Bundesregierung?

Die Personalrochaden bei den Christsozialen fallen wenig überraschend aus. Außer dem künftigen Super-Innenminister Seehofer selbst kommt niemand aus München nach Berlin. Die Neuen im nächsten Kabinett sind obendrein alles alte Bekannte. Gerd Müller behält das Entwicklungsministerium. Generalsekretär Andreas Scheuer wird für treue Dienste mit dem Verkehrsministerium belohnt. Seine Stellvertreterin Dorothee Bär bezieht als Staatsministerin für Digitales ein Büro im Kanzleramt. Im Franz-Josef-Strauß- Haus in München rückt Markus Blume vom Vize- zum Generalsekretär auf, als Stellvertreterin fungiert künftig die Bundestagsabgeordnete Daniela Ludwig.

Was kommt auf die CSU-Minister zu?

Die größte Herausforderung hat sich Horst Seehofer selbst aufgebürdet. Das Innenministerium ist bisher schon ein Haus mit breit gefächerter Zuständigkeit. Dass sein Chef sich auch um den Sport und die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst kümmern muss, sind nur die bekanntesten Nebentätigkeiten des Herrn über die innere Sicherheit. Seehofer ist nicht vom Fach, hat aber als langjähriger Bundesminister und als Ministerpräsident Erfahrung auf nationaler Ebene wie auch in der Leitung großer Bürokratien.

Mit dem bisherigen Chef-Innenpolitiker der Unionsfraktion Stephan Mayer holt er sich zudem einen anerkannten Fachmann als Parlamentarischen Staatssekretär zur Seite. Die „Parlamentarischen“ sind normalerweise als ministerielle Hilfstruppe auf Nebengebieten tätig. Der Volljurist Mayer dürfte im Haus Seehofer aber eine zentralere Rolle spielen.

Wie die neue Zuständigkeit fürs Bauen in das Ministerium integriert wird, ist noch etwas unklar. Seehofer betont selbst, dass er mit Merkel und der SPD-Führung bisher nicht darüber gesprochen hat, welche Abteilungen andere Häuser abgeben. Dafür bekommt das Unterressort „Heimat“ konkrete Konturen: Rund 100 neue Mitarbeiter sollen Abteilungen für Raumordnung, „gesellschaftlichen Zusammenhalt“ und „gleichwertige Lebensverhältnisse“ aufbauen. Eine Geschäftsstelle nach dem Vorbild des Heimatministeriums in Bayern soll deren Arbeit mit verwandten Abteilungen anderer Ministerien koordinieren.

Seinen Posten als Ministerpräsident gibt Seehofer zum spätestmöglichen Zeitpunkt auf: am kommenden Montag, einen Tag vor der Kanzlerwahl und der Vereidigung der Minister. Ein paar Tage lang regiert dann Wirtschaftsministerin Ilse Aigner als Vize-Ministerpräsidentin das Bayernland, bevor Markus Söder in die Staatskanzlei einmarschiert.

Für Gerd Müller bleibt alles beim Alten. Der 62-Jährige hat in den letzten vier Jahren das Entwicklungsministerium auf eine Weise sichtbar gemacht, wie das vor ihm nur der CSU-Mann Carl-Dieter Spranger in den 90er Jahren geschafft hatte. Dabei half ihm nicht nur lange Erfahrung als Staatssekretär im Agrarressort, sondern auch der Umstand, dass als Folge der Flüchtlingskrise sein Ressort ganz neu ins Blickfeld geraten ist. Die oft als staatliche Caritas verkannte Entwicklungspolitik spielt bei der Bekämpfung von Fluchtursachen auf einmal eine zentrale Rolle.

Für die CSU ist Müller doppelt wichtig, weil er ohne großes Aufhebens eine andere Linie in der Flüchtlingspolitik vertritt als die dominierende Grenzen-dicht-Fraktion. Der engagierte Katholik steht für den Teil der CSU-Anhängerschaft, der Hilfe für Menschen in Not ohne Ansehen der Herkunft als erste Christenpflicht versteht und Angela Merkel deshalb nicht als Unglück betrachtet. Müller macht auch keinen Hehl daraus, dass er Abschottung gegen die Fluchtbewegungen der Welt für aussichtslos hält. Diese Positionierung hat jetzt zu seiner Weiterbeschäftigung beigetragen. Merkel schätzt den Mann.

Deshalb konnte sie Seehofer leichteren Herzens den Posten für Dorothee Bär im Kanzleramt freimachen. Damit war der CSU-Chef aus dem Schneider in Sachen Geschlechterproporz. Die Staatsministerin ist zwar nur eine anders titulierte Parlamentarische Staatssekretärin. Sie untersteht zudem, wie die neue CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer umgehend deutlich machte, auch in Sachen Digitalisierung dem künftigen Kanzleramtschef Helge Braun. Und die CSU verzichtet im Gegenzug auf einen Parlamentarischen Staatssekretär im Verkehrsministerium.

Aber diese feinen Details werden die Bayern ihren Anhängern gewiss nicht ausführlich erläutern – und mit am Kabinettstisch sitzen darf die 39-Jährige ja, die zu den Frühbuchern bei Twitter und Co. zählt.

Mit dem Minister Müller war Seehofer übrigens zugleich aus dem Schneider bei der regionalen Ausgewogenheit. Der Bezirk Schwaben, der zweitgrößte nach der Einwohnerzahl, wäre sonst arg unterrepräsentiert im CSU-Führungskreis. Der ausscheidende Agrarminister Christian Schmidt hatte in diesem Spiel als Franke, obendrein aus dem Bezirk Söders, von vornherein ganz schlechte Karten.

Hingegen ist Andreas Scheuer vorteilhafterweise Niederbayer. Der 43-Jährige war schon einmal bis 2013 vier Jahre Parlamentarischer Staatssekretär in dem Ministerium, das er jetzt leiten soll. Die Beförderung verdankt er treuen Diensten als Seehofers Mann fürs Laute und Grobe – und seinem ausgeprägten Machtwillen. Als Bezirkschef von Niederbayern zählt Scheuer im CSU-Universum inzwischen zu den maßgeblichen Strippenziehern.

Im Verkehrsministerium warten ungemütliche Fragen wie die Dieselkrise und die verschlafene Digitalisierung auf ihn – das Haus ist auch für „digitale Infrastruktur“ zuständig. Der satirisch vergiftete Trost dürfte ihm dabei wenig helfen, den ihm die Kabarettistin Luise Kinseher als „Mama Bavaria“ neulich beim traditionellen Starkbieranstich mitgab: Vorgänger Alexander Dobrindt habe die Messlatte ja nicht so hoch gelegt, ätzte sie in die Kameras des Bayerischen Rundfunks. Den wird das nur mäßig gewurmt haben. Er ist inzwischen als CSU-Landesgruppenchef eine eigenständige Hauptfigur im Berliner Machtgefüge.

Was verbindet die Neuen?

Mit Scheuers Beförderung schließt sich ein Kreis, der 2007 auf der Zugspitze seinen Anfang nahm. Damals demonstrierten sieben Jung-CSUler auf Deutschlands höchstem Gipfel für den akut bedrohten Edmund Stoiber. Die Kundgebung half dem CSU-Chef nicht, kurz darauf war er gestürzt. Dafür erwies sich der „Zugspitzkreis“ als stabile Seilschaft.

Nur Karl-Theodor zu Guttenberg verschwand in einer selbst aufgegrabenen Gletscherspalte. Das verbliebene Sextett ist nach einem Jahrzehnt in Ämtern und Würden: Dobrindt und sein Geschäftsführer Stefan Müller, Scheuer und Bär, Seehofers künftiger Helfer Mayer und die neue Vize-Generalin Ludwig. Sie dominieren die Bundes-CSU jetzt ähnlich wie einst die „Pizza-Connection“ aus Angela Merkels Helfern die CDU. Aus dieser älteren Truppe sind nur noch der künftige Wirtschaftsminister Peter Altmaier und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet als Spitzenpolitiker aktiv. Beim Zugspitz-Kollektiv darf man dagegen sicher davon ausgehen, dass sie sich allesamt noch nicht am Gipfel angekommen sehen.

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