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Beifall für den Premier. Edouard Philippe nach seiner Regierungserklärung am Dienstag.

© Philippe Wojazer/Reuters

Regierungserklärung: Frankreichs Premier kündigt Ausgabenkürzungen an

In seiner Regierungserklärung am Dienstag kündigte Frankreichs Premier Edouard Philippe für die kommenden Jahre deutliche Ausgabenkürzungen an.

Als „Grand Oral“ gelten in der Regel Regierungserklärungen französischer Premierminister – also als eine Art großer mündlicher Prüfung. Wenn ein Regierungschef in Frankreich nach einer Parlamentswahl seine Erklärung abgibt, dann kann er mit markigen Sätzen nachhaltig in Erinnerung bleiben. So erging es dem früheren konservativen Regierungschef Jean-Pierre Raffarin, der 2002 bei seiner Regierungserklärung vor der Nationalversammlung sagte: „Unser Weg ist gerade, aber das Gefälle ist stark.“ Der Satz wurden in Frankreich zum geflügelten Wort.

Am Dienstag hatte nun Edouard Philippe – auch er wie Raffarin ein Konservativer – die Möglichkeit, zu Beginn der Legislaturperiode einige – auch metaphorische – Akzente zu setzen. Am Tag zuvor hatte Präsident Emmanuel Macron in einer Grundsatzrede vor dem Kongress in Versailles die Leitlinien seiner Politik dargestellt. Kritiker hatten bereits befürchtet, dass Macron mit seiner Rede den eigenen Premierminister Philippe komplett in den Schatten stellen würde. Tatsächlich beschränkte sich Macron in seiner Grundsatzrede aber auf jene Bereiche, die er laut der Verfassung unmittelbar gestalten kann: institutionelle Reformen wie die Änderung des Wahlrechts sowie die Außen- und Europapolitik.

Philippe: Mehrheit für LREM kein „Blankoscheck“

Damit blieb für Philippe durchaus noch Raum, um seine eigenen Vorstellungen zu den politischen Prioritäten in den kommenden fünf Jahren darzustellen. Eine undankbare Aufgabe: Denn die geplanten Reformen in der Sozial- und Wirtschaftspolitik, die Philippe am Dienstag skizzierte, sind ein vermintes Terrain. Daran ändert auch nichts die überwältigende Mehrheit von Macrons Partei „La République en Marche“ (LREM), welche die Reihen der Nationalversammlung füllt. Wohl deshalb erklärte Philippe, die absolute Mehrheit der LREM sei kein „Blankoscheck“.

Zu Beginn seiner Ausführungen ratterte Philippe eine ganze Reihe von Maßnahmen herunter, welche wohl auch jene Franzosen, die sich bei der Präsidentschafts- und Parlamentswahl der Stimme enthielten, von der neuen Regierung überzeugen sollen: Mit den Zuzahlungen bei Brillen, Zahnbehandlungen und Hörgeräten soll spätestens am Ende der Legislaturperiode im Jahr 2022 Schluss sein, Bezieher geringerer Einkommen sollen durch eine Reform der Wohnsteuer mehr Kaufkraft erhalten, alle Einwohner sollen innerhalb der kommenden fünf Jahre Zugang zum schnellen Internet erhalten.

Bis zum Ende des Sommers Entscheidung bei Arbeitsrechtsreform

Es dauerte mehr als eine halbe Stunde, bis Philippe auf die derzeit wichtigste Reformbaustelle zu sprechen kam - die Erneuerung des Arbeitsrechts. Neue Details zu der Reform, die in erster Linie die Arbeitsministerin Muriel Pénicaud ausarbeiten soll, verriet er nicht. Allerdings bekräftigte der ehemalige Bürgermeister von Le Havre, dass die Entscheidungen über die Einzelheiten der Reform am Ende des Sommers anstehen. Offenbar will die Regierung Pflöcke einschlagen, bevor die linksgerichtete Gewerkschaft CGT am 12. September gegen die Reform auf die Straße gehen soll.

Zudem kündigte Philippe eine strikte Disziplin bei der Begrenzung der öffentlichen Ausgaben an. Macron will in diesem Jahr die im Maastricht-Vertrag vorgesehene Defizitgrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) einhalten. Dieses Ziel will die Regierung nicht durch Steuererhöhungen, sondern durch eine Senkung der öffentlichen Ausgaben erreichen. Philippe kündigte an, dass die Ausgaben im Verlauf der kommenden fünf Jahre um drei Prozentpunkte des BIP gesenkt werden sollen.

Le Pen warnt vor Landflucht

Die Vorsitzende des Front National, Marine Le Pen, nahm diese geplanten Ausgabenkürzungen prompt aufs Korn. Die Maßnahme werde dazu führen, dass einzelne Landstriche „noch mehr entvölkert werden“, erklärte sie. Der Front National hatte bei den Präsidentschaftswahlen vor allem bei Wählern in ländlichen Regionen einen starken Zulauf erhalten.

Unterm Strich blieb nach Philippes Erklärung der Eindruck zurück, dass die Nationalversammlung schon mitreißendere Reden von Regierungschefs erlebt hat. Aber immerhin fiel dem Hobby-Boxer Philippe eine Metapher ein, die den Handlungsbedarf angesichts der desolaten Situation des französischen Budgets recht gut beschreibt: „Frankreich hängt in den Seilen, und kein Ausweichmanöver wird uns retten.“

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