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Merkel

© dpa

Regierungserklärung: Merkel verbittet sich Vorverurteilungen beim Afghanistan-Einsatz

Zwei entführte Tanklaster, ein umstrittener Befehl zum Luftangriff, unterschiedliche Angaben zu den Todesopfern: Nach dem jüngsten Bundeswehreinsatz in Afghanistan machte Merkel das Land am Hindukusch zur Chefsache. In einer Regierungserklärung nahm sie nun Stellung.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat im Bundestag eingeräumt, dass bei einem Bombenangriff in Afghanistan zahlreiche Menschen ihr Leben verloren haben. "Jeder in Afghanistan unschuldig zu Tode gekommene Mensch ist einer zu viel", sagte Merkel während ihrer Regierungserklärung im Bundestag. Sie äußerte ihr Mitgefühl mit den Angehörigen und versprach die Aufklärung des Falls.

In der Nacht zu Freitag hatte ein amerikanisches Kampfflugzeug nach deutscher Anforderung zwei von Taliban entführte Tanklaster bombardiert. Dabei starben Dutzende Menschen. Verteidigungsminister Franz Josef Jung war in den vergangenen Tagen in die Kritik geraten.

Merkel verteidigte offensiv den Afghanistan-Einsatz. Sie betonte, dass der Auslandseinsatz der Bundeswehr am Hindukusch dazu beitrage, Leib und Leben der Menschen in Deutschland vor dem internationalen Terrorismus zu beschützen.

Mit ihrer Regierungserklärung signalisiert die Kanzlerin, dass sie die Afghanistan-Mission zur Chef-Sache machen will. Bislang hatte sie den in der Bevölkerung hoch umstrittenen Einsatz ihrem Verteidigungsminister überlassen. Merkel hatte den Einsatz als Erbe ihres Vorgängers Gerhard Schröder übernommen und lange Zeit nicht zu ihrem Thema gemacht. Merkel mied Tauerfeiern für getötete Bundeswehrsoldaten und erschien lieber zu Gelöbnisfeierlichkeiten vor dem Reichstag.

Ihr Konkurrent bei der Bundestagswahl in drei Wochen, Frank-Walter Steinmeier von der SPD, stellte sich ebenfalls hinter den gemeinsamen Regierungskurs und forderte wie Merkel einen schrittweisen Abzug der Bundeswehr in den kommenden Jahren. Keiner der Regierungsvertreter nannten einen klaren Zeitpunkt.

Gemeinsam mit Großbritannien und Frankreich will die Bundesregierung die Vereinten Nationen dazu bringen, noch in diesem Jahr eine Afghanistan-Konferenz einzuberufen. Auf dieser Tagung soll die internationale Strategie festgelegt werden und mit der neuen afghanischen Regierung geklärt werden, wann diese die Verantwortung für die Sicherheit im Land übernehmen kann.

Lediglich Lafontaine greift Regierung an

Oppositionspolitiker versuchten in den vergangenen Tagen, aus dem Thema politisches Kapital zu schlagen. Wie wichtig das Thema geworden ist, zeigt, dass neben mehreren Nachrichtensendern auch die ARD in einer Sondersendung live aus dem Plenarsaal übertrug. Im Parlament griff nur Oskar Lafontaine als Redner der Links-Partei die Regierung scharf an und forderte den Abzug aus Afghanistan. Der Oppositionsführer Guido Westerwelle (FDP) stellte sich hinter den Kurs der Regierung und hinter den Einsatz in Afghanistan.

Er kritisierte erneut Verteidigungsminister Jung, ohne ihn beim Namen zu nennen. Westerwelle sagte, dass es positiv gewesen wäre, wenn alle im Kabinett so klare Worte wie die Kanzlerin gefunden hätten. Minister Jung, seine Staatssekretäre und die Pressesprecher hatten in den vergangenen Tagen immer wieder gesagt, dass der von einem deutschen Offizier angeordnete Luftschlag in Afghanistan ein Erfolg gewesen sei. Bei der Bombardierung seien mehr als 50 Terroristen gestorben, lautete die offizielle Darstellung. Dabei hatten Nato und Afghanen längst bewiesen, dass es sehr wohl zivile Opfer gegeben hatte. Von mehr als 135 Toten sprechen bereits afghanische Offizielle, darunter sollen nur rund 40 Taliban sein.

Erst am Sonntag räumte Jung ein, dass Zivilisten zu Schaden gekommen sein könnten. Eine echte Entschuldigung kam dem Juristen bisher noch nicht über die Lippen und lediglich ein Bedauern im Konjunktiv. Oppositionspolitiker forderten bereits seinen Rücktritt. Merkels Regierungserklärung sehen Experten deshalb auch als Versuch, den Verteidigungsminister wieder einzufangen und die Affäre Jung im Keim zu ersticken. Ob Jung damit aus der Schusslinie ist, scheint mehr als fraglich. Vor allem, wenn die Untersuchung der Nato ergibt, dass fahrlässig das Leben von Zivilisten in Gefahr gebracht würde, wird das den Druck auf den glücklosen Verteidigungsminister erhöhen.

Quelle: ZEIT ONLINE

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