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Wer sagt’s wem? Bundeskanzlerin Angela Merkel und Russlands Präsident Dmitri Medwedew in Jekaterinburg. Foto: dpa

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Regierungskonsultationen: Merkel in Moskau: Wirtschaft ist alles

In Moskau ist Bundeskanzlerin Merkel einem selbstbewussten Medwedew begegnet. Politische Gegensätze wurden kaum thematisiert, Wirtschaftsthemen hatten absoluten Vorrang

Russland möchte aktiver auf dem deutschen Markt präsent sein und hat neben dem Wunsch auch das Geld dazu: So selbstbewusst wie Dmitri Medwedew am Donnerstag auf der Pressekonferenz nach Abschluss der deutsch-russischen Regierungskonsultationen in Jekaterinburg meldete sich in der jüngeren Geschichte kein anderer Kremlchef zu Wort. Auch bei den vorangegangenen Gesprächen mit der Bundeskanzlerin und Begegnungen mit Wirtschaftsvertretern gab der Gastgeber offenbar Inhalt und Richtung vor. Wenn überhaupt, sprach Angela Merkel Heikles wie Moskaus Demokratie- und Menschenrechtsdefizite nur unter vier Augen an.

Doch über Politik redeten beide ohnehin nur am Rande. Wirtschaft hatte absoluten Vorrang, vor allem die Partnerschaft bei der Modernisierung der russischen Wirtschaft und die Rolle deutscher Unternehmen dabei. Zwar sieht Medwedew nach eigenen Worten in der Bundesrepublik den Partner Nummer eins für den geplanten Umbau. Zugleich aber ließ er auch den Preis für derartige Privilegien aufscheinen: massiver Einstieg russischer Konzerne bei deutschen Top-Unternehmen. „Wir rechnen damit“, sagte Medwedew, „dass der Investitionsprozess auf Gegenseitigkeit beruhen wird.“

Merkel, die weiß, dass Moskau sich davon auch einen günstigen Technologietransfer verspricht, verzog kurz die Mundwinkel, hatte sich jedoch schnell wieder in der Gewalt. Das Umfragetief zu Hause, meinten russische hiesige Kommentatoren, zwinge die Kanzlerin, wieder enger mit Moskau zu kooperieren. Vom Umbau der Wirtschaft, wie Medwedew sie Russland verordnet hat, würden vor allem deutsche Hightech-Lieferanten profitieren. Einige beschworen sogar das goldene Zeitalter ungetrübter Harmonie in den Zeiten von Altkanzler Gerhard Schröder herauf. Der Vergleich liegt in der Tat nahe: Wie Schröder im Dezember 2003 flog auch Merkel am Donnerstag von Russland nach China, danach geht es nach Kasachstan. Das Ziel: Aufträge für die deutsche Wirtschaft und Garantien für Energielieferungen zu angemessenen Preisen.

Wie schon in Jekaterinburg wird Merkel in Peking und Astana mit den Business-Eliten der Bundesrepublik anreisen: mit den Bossen von Volkswagen, Airbus, BASF, Metro, Commerzbank und Siemens. Allein die Vertreter des Münchner Elektronikkonzerns unterzeichneten Verträge mit einem Volumen von mehreren Milliarden Euro. Vor allem mit den russischen Staatsbahnen, die 240 Regionalzüge und über 200 Güterzüge orderten. 2011 beginnt auch die Lieferung von Zügen des Typs „Desiro“ als Airport-Zubringer in Moskau und anderen Großstädten. Und bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi 2014 wird eine Modifikation der Sapsan-Hochgeschwindigkeitszüge von Siemens rollen, die bereits zwischen Moskau und Sankt Petersburg verkehren. Außerdem will Siemens sich mit Investitionen am Hightech-Kompetenzzentrum Skolkowo beteiligen – dem Gegenentwurf zum Silicon Valley und Medwedews liebstes Kind, das derzeit hinter dem Moskauer Autobahnring hochgezogen wird.

Mit Rostechnologii und RusHydro unterzeichnete Siemens darüber hinaus ein Abkommen über die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens zur Herstellung von Windkraftanlagen, an dem die drei Unternehmen je ein Drittel halten. Dazu soll der von der Krise schwer gebeutelte Konzern „Chimprom“ in Wolgograd umgerüstet werden, die ersten dort produzierten Gestelle, Flügelschaufeln und Gondeln sollen bereits 2011 auf den Markt kommen.

Im Interesse der Wirtschaft konnte Merkel sich sogar für Moskaus Forderungen nach Visafreiheit erwärmen und versprach Medwedew Unterstützung. Ebenso der Vorsitzende des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft, Klaus Mangold. Medwedew hatte die EU bereits beim letzten Gipfel Anfang Juni in Rostow mit einem aus russischer Sicht unterschriftsreifen Vertragsentwurf konfrontiert. Guten Willen vorausgesetzt, so der Kremlchef, könne Europa die dazu nötigen Beschlüsse schnell fassen.

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