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© dpa

Regierungskrise: Brandenburger Stasi-Affäre alarmiert Genossen

Die Stasi-Affäre in Brandenburg wirkt weit über das Bundesland hinaus – sie wird zum Politikum für die Linken im Bund. Auch aus westlichen Landesverbänden wird Kritik laut.

Von Matthias Meisner

Berlin - Die durch immer neue Stasi- Fälle ausgelöste Regierungskrise in Potsdam wird mehr und mehr auch zum Politikum für die Linken im Bund. Ein eigentlich als Routinebegegnung angesetztes Gespräch der Linken-Spitze aus Berlin und Brandenburg mit der Führung der Bundestagsfraktion bekam am Mittwoch Züge eines Krisentreffens. Die von Fraktionschef Gregor Gysi geleitete Runde vereinbarte strikte Vertraulichkeit. Doch sprachen Teilnehmer anschließend von einer außerordentlich ernsten Lage mit Ansehensverlusten für die Linke insgesamt. Der angerichtete Schaden sei beträchtlich. Kritik an den eigenen Genossen wird auch laut aus vielen westlichen Landesverbänden.

Schon seit einer ganzen Weile kommen die Berliner Senatoren und andere Spitzenvertreter der Landespartei regelmäßig mit der Führung der Bundespartei zusammen, um öffentlichen Meinungsverschiedenheiten über die Regierungsbeteiligungen vorzubeugen. Am Mittwoch waren erstmals auch die Genossen aus Brandenburg dazugeladen, die nach der Wahl am 27. September ebenfalls eine Regierungskoalition mit der SPD ausgehandelt hatten, eigentlich sollte es um das Thema Energie und Wasserwirtschaft gehen. Doch unmittelbar vor der Sondersitzung des Potsdamer Landtages an diesem Freitag drehten sich die Diskussionen um die Stasi-Affäre, zu der Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) eine Erklärung angekündigt hat.

Auch die hochkarätige Zusammensetzung des Treffens im Jakob-Kaiser-Haus des Bundestages zeigte, dass die Lage als hoch problematisch eingeschätzt wird. Neben Fraktionschefin Kerstin Kaiser und Landeschef Thomas Nord waren aus Brandenburg Landesfinanzminister Helmuth Markov und Justizminister Volkmar Schöneburg gekommen. Zur Runde gehörten noch Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch, Parlamentsgeschäftsführerin Dagmar Enkelmann, Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau, der Beauftragte für den Parteiaufbau West, Ulrich Maurer, sowie mehrere andere Bundestagsabgeordnete. Nach dem Treffen suchte Maurer, Gefolgsmann von Parteichef Oskar Lafontaine, den Spieß umzudrehen: „Es ist an der Zeit, dass die Abgeordneten der anderen Fraktionen im Brandenburger Landtag sich dazu erklären, ob sie mit dem Ministerium für Staatssicherheit zusammengearbeitet haben.“

Gysi wollte öffentlich nicht Stellung beziehen. Der Sprecher des Reformer, der Berliner Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich,nannte es „ärgerlich, dass einige Mitglieder unserer Partei geschadet haben“, weil sie ihre Verstrickung mit dem Ministerium für Staatssicherheit nicht vor ihrer Kandidatur offengelegt hätten. Er sprach vom „schlechtestmöglichen Beginn“ der rot-roten Koalition in Potsdam. Die Offenlegung der Biografie und die Auseinandersetzung müsse selbstverständlich sein, dies entspreche der Beschlusslage der Partei. Der jetzt entstandene Schaden sei „immens“. Auf die Frage, ob die rot-rote Regierung die volle Legislaturperiode im Amt bleibe, sagte Liebich: „Allen ist klar, dass die Lage ernst ist.“

Parteivize Klaus Ernst sagte dem Tagesspiegel, die Affäre schade „klar“ der Gesamtpartei. Dort werde schon die bekannte Stasi-Vergangenheit einer Reihe brandenburgischer Linken-Funktionäre – hier geht es unter anderem um Kaiser und Nord – als Manko angesehen. „Erschwerend“ komme nun hinzu, dass weitere Genossen ihre Stasi-Verstrickung vertuscht hätten. Im Westen stelle sich dann leicht die Frage: „Wie viele sind das denn noch?“ Der baden-württembergische Landeschef Bernd Riexinger erinnerte an frühereVorbehalte wegen zu weitreichender Zugeständnisse an die brandenburgische SPD gegeben. Dass nun peu à peu immer neue Stasi-Fälle bekannt würden, sei „auf keinen Fall glücklich“ und „nährt die Kritik an uns“. NRW-Landeschefin Katharina Schwabedissen riet, die einzelnen Fälle mit Stasi-Vorwürfen „individuell zu klären“. Sie erneuerte ihre Kritik an der Potsdamer Koalitionsvereinbarung, die „wir so nicht abgeschlossen hätten“. Der rheinland-pfälzische Linken-Chef Alexander Ulrich meinte, die Vorbehalte im Westen wegen der Debatte über die SED-Vergangenheit seien „eigentlich überwunden“, würden nun aber „wieder ein bisschen mehr in den Fokus geraten“.

Der Linken-Vorsitzende von Mecklenburg-Vorpommern, Steffen Bockhahn, nannte es „nicht gut“, dass einzelne Abgeordnete ihre Biografie nicht bekannt gemacht haben. Allerdings dürfe das nicht zu einer Entsolidarisierung mit den Parteifreunden in Brandenburg führen. „Was momentan passiert, ist nicht Vergangenheitsbewältigung, sondern Hexenjagd“, sagte Bockhahn. Vielen gehe es darum, „das rot-rote Modell zu torpedieren“.

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