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Die Koalition von Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hat die Mehrheit verloren. Nun gibt es Neuwahlen.

© Swen Pförtner/dpa

Regierungskrise in Niedersachsen: Rot-Grün tendiert zu Neuwahlen am 22. Oktober

Ministerpräsident Weil will schnell über die Regierung in Niedersachsen abstimmen lassen. Doch es gibt einige Einwände.

In Niedersachsen läuft der Termin für die notwendig gewordenen Neuwahlen nun wohl auf den 22. Oktober hinaus – eine Woche nach dem Ende der dortigen Herbstferien. Das verlautete am Samstag aus SPDKreisen – und auch bei den Grünen geht man inzwischen von diesem Datum aus.

Ein Urnengang parallel zur Bundestagswahl am 24. September, wie ihn sich Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) zunächst gewünscht hatte, ist laut den formalen Fristen der Landesverfassung bei Selbstauflösung des Parlaments theoretisch zwar möglich, logistisch aber kaum zu schaffen. „Das wäre sehr sportlich“, hatte Landeswahlleiterin Ulrike Sachs bereits gewarnt.

Übers Wochenende prüft Sachs nun nach Informationen des Tagesspiegels auf Bitten von Innenminister Boris Pistorius (SPD) die denkbaren Zeitpläne und juristischen Feinheiten. Am Montag soll sie ihren Vermerk vorlegen. Durch den Wechsel der Grünen-Abgeordneten Elke Twesten zur CDU-Fraktion, der am kommenden Dienstag offiziell vollzogen werden soll, verliert die rot-grüne Koalition im niedersächsischen Landtag ihre bisherige Mehrheit. Diese hatte gerade mal eine Stimme betragen.

Regulär war die Landtagswahl für den 14. Januar geplant. Der vorgezogenen Termin bringt nun manches durcheinander. Beispielsweise könnten neue Wahlkreiskonferenzen nötig werden, wenn die vorgesehenen Direktkandidaten bis dahin noch keine 18 Jahre alt und folglich gar nicht wählbar wären. Insbesondere kleinere Parteien könnten womöglich beanstanden, durch den verkürzten Wahlkampf benachteiligt zu werden.

Probleme bei der Listenaufstellung

Ebenfalls am Montag will sich der noch amtierende Regierungschef mit den Spitzen der vier Landtagsfraktionen treffen, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Zeitliche und damit möglicherweise auch verfassungsrechtliche Probleme bereiten vor allem die Listenaufstellungen.

Bis auf die CDU und die Linken hat bisher noch keine Partei ihre Kandidaten für die Landtagswahl gekürt. Die AfD macht es an diesem Wochenende in Walsrode, Grüne und FDP wollen eine Woche später nachziehen. Und die SPD muss sich einen komplett neuen Termin suchen. Ihre Listenaufstellung war erst für Ende Oktober geplant.

Die ehemalige Grünen Politikerin Elke Twesten will jetzt für die CDU Politik machen.
Die ehemalige Grünen Politikerin Elke Twesten will jetzt für die CDU Politik machen.

© Holger Hollemann/dpa

Dazu kommen taktische Überlegungen. Die CDU-Fraktion um ihren Vorsitzenden Björn Thümler würde den 24. September bevorzugen, weil sie sich bei einem Zusammenfallen des Wahltermins mit dem bundesweiten Urnengang Rückenwind durch die Beliebtheit von Bundeskanzlerin Angela Merkel erhofft. Die Christdemokraten im Bund sehen das genauso.

Für die Wähler wäre es „zweifelsohne praktisch, wenn die Landtagswahl am selben Tag stattfände wie die Bundestagswahl“, ließ sich Generalsekretär Peter Tauber vernehmen. Nachdem Rot-Grün „so klar gescheitert“ sei, spreche „einiges dafür, dass man sich sehr bald dem Wählervotum stellt“.

"Es gab keine Angebote"

SPD und Grünen dagegen wäre ein späterer Termin lieber. Allerdings wirbelt das überraschende Ende der rot-grünen Koalition auch die Pläne von CDU-Spitzenkandidat Bernd Althusmann durcheinander. Der frühere Kultusminister der selber gar nicht dem Landtag angehört, wollte sein Kompetenzteam erst nach der Bundestagswahl und in aller Ruhe vorstellen.

Versprochen hatte er dafür unter anderem eine 50-prozentige Frauenquote. Schon bisher fragten sich Parteifreunde, woher der Vorsitzende die fünf dafür nötigen Kandidatinnen herbekommen wolle.

Elke Twesten, die mit ihrem Wechsel die bisherige Regierung zum Einsturz brachte, soll es jedenfalls nicht sein. Vehement stritt Althusmann ab, mit der 54-Jährigen entsprechende Absprachen getroffen zu haben. „Angebote hat es keine gegeben“, versicherte er. Auffällig war schon mal, dass es keine gemeinsamen Auftritte des CDU-Landeschefs mit dem künftigen Neumitglied gab. Die Gespräche mit Twesten liefen vornehmlich über die Fraktion, Althusmann wurde erst spät eingebunden. „Der wirkte am Freitag nicht grade glücklich“, höhnte ein SPD-Abgeordneter nach der Pressekonferenz des Spitzenkandidaten.

Vom Schock erholt

Überhaupt scheinen sich Sozialdemokraten und Grüne schnell von dem Schock erholt zu haben. „Unser Kampfeswille ist riesengroß“, hieß es nach der abendlichen Fraktionssitzung der Genossen. „Es hilft ja alles nichts“, meinte auch Grünen-Parlamentsgeschäftsführer Helge Limburg. Und versicherte: „Wir sind jetzt umso motivierter, uns für ein sehr gutes grünes Wahlergebnis zu engagieren.“

Der noch amtierende Regierungschef Weil erinnerte wiederum den politischen Hauptgegner an einzuhaltende Spielregeln. „Es kann nicht darum gehen, wer wem was bietet, es muss darum gehen, dass wir den Wählerwillen achten“, sagte er dem Sender ntv. Die CDU habe sich an Twestens Wechsel „erkennbar begeistert beteiligt“. Das sei „sehr, sehr bedenklich“ – und schädlich für die Demokratie. (mit raw)

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