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Steht für den Machtpoker in Thüringen nicht mehr zur Verfügung: CDU-Politikerin Christine Lieberknecht.

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Update

Regierungskrise in Thüringen: Lieberknecht sagt ab – und schlägt Koalition von CDU und Linke vor

Die CDU-Politikerin Christine Lieberknecht steht nicht mehr für eine Übergangsregierung zur Verfügung. Verantwortlich macht sie ihre eigene Partei.

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Die Gespräche zur Lösung der Regierungskrise in Thüringen sind gescheitert. Die CDU-Politikerin Christine Lieberknecht, die von Ex-Ministerpräsident Bodo Ramelow als Übergangs-Ministerpräsidentin vorgeschlagen worden war, hat abgesagt. Das bestätigte Lieberknecht auf Tagesspiegel-Anfrage.

Ex-Ministerpräsident Bodo Ramelow von der Linken hatte vorgeschlagen, den Landtag rasch für eine Neuwahl aufzulösen und seine Amtsvorgängerin zur Chefin einer Rumpfregierung für den Übergang zu machen. Die CDU lehnte dies größtenteils ab. Sie forderte eine vollständig besetzte Regierung unter Lieberknecht und die Verabschiedung eines Landeshaushalts für 2021. Erst danach könne neu gewählt werden - also frühestens im Herbst, möglicherweise auch erst 2021.

Unter diesen Bedingungen sagte Lieberknecht ab. Grund seien die sehr unterschiedlichen Vorstellungen von Linke, SPD und Grünen auf der einen sowie der CDU auf der anderen Seite über den Zeitpunkt von Neuwahlen, erklärte sie. "Ich bin aus der Debatte raus", sagte sie. Sie habe sich von Anfang an nur für den Lösungsvorschlag von Ramelow bereiterklärt. Doch der Widerspruch zu ihrer CDU, die keine schnellen Neuwahlen wolle, lasse sich nicht auflösen.

Einzige Alternative ist für Lieberknecht nun eine Koalition von Linke und CDU. "Wer jetzt keine Neuwahlen will, muss Bodo Ramelow mit verlässlicher Mehrheit zurück ins Ministerpräsidentenamt verhelfen und dann am besten mit ihm in eine Regierung gehen, ob das nun Projekteregierung oder anders heißt."

Lieberknecht will "verlässliche Partnerschaft" mit der Linken

Die als Interims-Ministerpräsidentin vorgesehene CDU-Politikerin sieht in der gegenwärtigen Konstellation keine Chance für sich. Ihre Partei wolle keine Neuwahlen, möglichst lange nicht. Da könne man sich jetzt noch länger Sand in die Augen streuen, sagte Lieberknecht dem Tagesspiegel. Aber dann gebe es keine Alternative zu einer "verlässlichen Partnerschaft" mit der Linken, ob man sie Projektregierung oder anders nenne. Das seien "realpolitische Sachzwänge, Bundesbeschlüsse hin oder her".

Die Konservative meinte damit den Unvereinbarkeitsbeschluss einer Zusammenarbeit mit der Linkspartei. Ramelow in einer Minderheitsregierung "weiterwurschteln" zu lassen, sei nach den jüngsten Ereignissen ausgeschlossen. Die ganze Republik schaue "mit Argusaugen" auf Thüringen. Zu einer Zusammenarbeit gibt es nach Lieberknechts Ansicht "keine andere dem Volk und sich selbst zumutbare Alternative".

Das Nein der CDU zu Neuwahlen erklärte die frühere Regierungschefin damit, dass die freigewählten Abgeordneten ihre gerade gewonnenen Mandate nicht verlieren wollten. Sie hätten bei der vergangenen Wahl gesehen, wie ein Drittel ihrer Sitze weggefallen sei. Und nur drei CDU-Vertreter müssten im Parlament dagegen sein, dann gebe es keine Neuwahlen. Lieberknecht ging im Gespräch nicht davon aus, dass sich diese Haltung ändert: Die CDU in Thüringen habe dafür eine Bundesvorsitzende "über die Klinge springen lassen".

Mohring bedauert den Rückzieher

Der scheidende CDU-Landes- und Fraktionschef Mike Mohring sagte dem Tagesspiegel: "Ich bedauere das sehr, denn ich habe in der Fraktion ausdrücklich für Christine Lieberknecht als Ministerpräsidentin einer Regierung des Übergangs geworben."

Linke, SPD und Grüne bedauerten das Scheitern des Vermittlungsversuchs, den Ramelow am Montagabend in einer Vier-Parteien-Runde aus Linke, CDU, SPD und Grünen unterbreitet hatte.

Ex-Ministerpräsident Ramelow sagte dem Tagesspiegel, Lieberknecht habe sich aus staatspolitischer Verantwortung bereiterklärt, "in einer schwierigen Situation einen ungewöhnlichen Weg zu gehen". Das nötige ihm großen Respekt ab. Da es einen schnellen Weg zu Neuwahlen nicht gebe, bleibe der CDU nun nur, "die Wahl eines Ministerpräsidenten Ramelow aktiv zu ermöglichen".

Die angestrebte Koalition von Linken, SPD und Grünen stehe zu einer schnellen Regierungsbildung bereit und sei "gewillt mit der CDU aktiv an tragfähigen Lösungen bis zur Neuwahl zu arbeiten".

Linke: Ball liegt nun bei der CDU

Die Landeschefin der Linken, Susanne Hennig-Wellsow, sagte dem Tagesspiegel: "Frau Lieberknecht hat deutlich gemacht, dass der Vorschlag von Ramelow nur in seiner vollständigen Form sinnvoll ist. Ich habe hohen Respekt, dass Frau Lieberknecht aufgrund der Weigerung der CDU, ihr Angebot zurückzieht." Der Ball liege nun bei der CDU. "Es gibt nur zwei Wege. Entweder die CDU macht den Weg frei für unverzügliche Neuwahlen oder sie unterstützt Ramelow aktiv bei der Ministerpräsidentenwahl mit einer anschließenden Tolerierung von Rot-Rot-Grün."

SPD: CDU provoziert verantwortungslos

Der SPD-Landesvorsitzende Wolfgang Tiefensee sagte dem Tagesspiegel: "Eine honorige Person, nämlich Christine Lieberknecht, hatte sich bereiterklärt, zur Lösung der Regierungskrise beizutragen - Chapeau." Die CDU habe mit ihrem Gegenvorschlag "das Ramelow-Angebot pervertiert und damit verantwortungslos provoziert". Es sei "verständlich und bedauerlich", dass Lieberknecht nun nicht mehr zur Verfügung stehe. "Die CDU trägt die Verantwortung für ihren Rückzug."

Grüne: Lieberknecht bleibt sich treu

Die Grünen-Politikerin Astrid Rothe-Beinlich, die für ihre Partei an den Vier-Parteien-Gesprächen teilgenommen hatte, sagte dem Tagesspiegel: "Lieberknecht bleibt sich selbst treu und somit konsequent. Sie stand nur für den Vorschlag von Ramelow zur Verfügung. Damit ist der Vorschlag der CDU obsolet." Ziel sollte daher jetzt sein, "gemeinsam eine verlässliche Mehrheit für die Wahl von Bodo Ramelow als MP im ersten Wahlgang zu stellen, Thüringen wieder in stabiles Fahrwasser zu bringen und einen vernünftigen Termin für Neuwahlen festzulegen".

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