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David Cameron bei Queen Elizabeth II.

© AFP

Regierungswechsel: David Cameron ist neuer britischer Premier

Brown ging, Cameron kam – der historische Machtwechsel in Großbritannien vollzog sich am Dienstagabend im Eiltempo. David Cameron von den konservativen Tories ist neuer Premierminister und hat seine Partei nach 13 Jahren wieder an die Macht geführt.

Großbritannien hat einen neuen Premier bekommen, nachdem Gordon Brown zu ungewöhnlicher Stunde am Dienstagabend in der Downing Street seinen Rücktritt bekannt gegeben hatte. „Ich habe die Absicht, bei der Queen um meinen Rücktritt zu bitten. Wenn sie akzeptiert, werde ich ihr raten, den Führer der Opposition mit der Bildung einer Regierung zu beauftragen“. Dies sind die traditionellen Worte, mit denen in Großbritannien ein Machtwechsel eingeleitet wird.

Während Brown sprach, waren Koalitionsverhandlungen zwischen den Konservativen und den Liberaldemokraten, die bereits über fünf Stunden dauerten, immer noch nicht beendet. Koalitionsvereinbarungen mussten auch erst von den Parteien gebilligt werden. Trotzdem wurde Cameron am Abend von der Queen mit der Regierungsbildung beauftragt und zum Premier ernannt. Er ist derjenige, der die größte Chance hat, eine Vertrauensabstimmung beim Queens Speech am 25. Mai zu überstehen.

Im stockenden Abendverkehr fuhr Cameron in einem silbernen Jaguar zur Queen, die ihm die traditionelle Frage stellte, ob er die neue Regierung bilden wolle und könne. Eine halbe Stunde später fuhr er mit seiner schwangeren Frau Samantha als neuer Premier in die Downing Street ein. Er dankte seinem Vorgänger Brown und sprach von den „tiefen, drängenden“ Problemen des Landes. Er wolle eine richtige, volle Koalition mit den Liberaldemokraten bilden, um dem Land die starke Regierung zu geben, die nötig sei. „Ich möchte mithelfen, eine verantwortungsvollere Gesellschaft zu schaffen, wo wir nicht nur fragen, was sind meine Ansprüche, sondern was sind meine Aufgaben, wo man nicht nur fragt, was schuldet ihr mir, sondern was kann ich geben.“

Cameron ist nach seiner formellen Ernennung durch Queen Elisabeth II. mit 43 Jahren der jüngste Premierminister Großbritanniens seit fast 200 Jahren. Schon in der Nacht zum Dienstag nahm das neue Kabinett Formen an. Nick Clegg wird Cameron in Abwesenheit vertreten. Die Liberaldemokraten haben zudem vier Ministerposten aushandeln können. Der Außenexperte und ausgesprochene Europakritiker der Tories, William Hague, soll Außenminister werden. George Osborne übernimmt für die Tories mit nur 38 Jahren das wichtige Amt des Finanzministers. Der Konservative Liam Fox soll Verteidigungsminister werden, berichteten Medien übereinstimmend. Cameron sagte bei seiner ersten Ansprache, es stehe „harte Arbeit“ bevor. Großbritannien trägt schwer an einer massiven Staatsverschuldung und kämpft immer noch mit den Folgen der Finanzkrise.

Als eine der ersten gratulierte in der Nacht Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dem neuen Premier. Sie lud Cameron ein, sobald wie möglich nach Berlin zu kommen. Auch US-Präsident Barack Obama griff zum Hörer und lud den neuen Regierungschef für Juli in die USA ein. Er freue sich darauf, ihn im Juni beim G8- und G20-Gipfel zu treffen. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy forderte Cameron auf, sich als Premier für die europäische Sache einzusetzen.

Mit der neuen blau-gelben Regierung endet die Ära von „New Labour“, die 1997 unter Browns Vorgänger Tony Blair begonnen hatte. Brown war seit Sommer 2007 Premier, nachdem er unter Blair zehn Jahre als Finanzminister gedient hatte. Den Labour-Vorsitz hält nun kommissarisch Vize-Chefin Harriet Harman, bis ein Nachfolger für Brown gefunden ist.

Brown hatte sich mit spürbarer Emotion aus der Downing Street verabschiedet. „Ich liebte diesen Job, nicht wegen seines Prestiges, des Titels und des Protokolls, das ich überhaupt nicht liebe, sondern wegen der Möglichkeit, das Land, das ich liebe, fairer, toleranter, grüner, demokratischer, wohlhabender und gerechter zu machen“, sagte er. Nun wolle er sich seinem besten Job widmen, als Vater und Ehemann. Dann fuhr Brown mit seiner Familie aus der Sackgasse, in der er 13 Jahre wohnte – erst als Schatzkanzler in Nummer 11, dann als Premier in Nummer 10.

Es waren dramatische 24 Stunden, nachdem Brown am Montagabend die Koalitionsverhandlungen zwischen Tories und Liberaldemokraten durch eine überraschende Offensive torpediert hatte: Er bot seinen Rückzug als Parteichef an, weil er als Hindernis für Koalitionsverhandlungen zwischen Labour und den Liberaldemokraten galt. Schnell wurde klar, dass dieser Plan nicht aufgehen würde. Parteiinterne Kritik begann noch am Montagabend. John Reid, ehemaliger Kabinettsminister mit schottischem Parlamentssitz, nannte den Plan „crazy“ und sprach von einem Pakt der „garantierten gegenseitigen Zerstörung“. Am frühen Dienstagnachmittag wurde klar, dass die Verhandlungen zwischen Labour und den Liberaldemokraten scheitern würden. Zu den Problemen gehörte auch die Wahlarithmetik: Labour hätte außer den Liberaldemokraten auch noch Grüne, oder Nationalisten in einer „Regenbogenallianz“ ins Boot bekommen müssen.

Die Libdems hatten bis dahin von den Tories ein weiteres Zugeständnis erhandelt: die Garantie, ein Referendum über die moderate Wahlrechtsreform durchzuführen – wobei sich die Tories vorbehielten, mit Nein zu stimmen. (mit dpa)

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