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Mauricio Funes

© dpa

Regierungswechsel: El Salvador rückt nach links

Nach 20 Jahren verlieren die Konservativen die Macht – an einen Journalisten.

„Es ist der schönste Tag in meinem Leben.“ So lautete der erste Satz, mit dem Mauricio Funes am Sonntagabend vor die Presse trat. Der Sieg des Fernsehjournalisten bei der Präsidentschaftswahl in El Salvador hat historische Dimensionen: Zum ersten Mal wird das mittelamerikanische Land von der Linken regiert werden. Nach Auszählung von mehr als 90 Prozent der Stimmen bekam Funes von der Nationalen Befreiungsfront Farabundo Marti (FMLN) bei der Präsidentschaftswahl am Sonntag 51,2 Prozent der Stimmen. Die rechte Nationalistisch-Republikanische Allianz (Arena) war mit 48,7 Prozent knapp unterlegen und muss nach 20 Jahren die Macht abgeben.

Beide Parteien sind ein Erbe des blutigen Bürgerkriegs, der von 1980 bis 1992 das Land erschütterte und 75 000 Menschen das Leben kostete. Arena entstand aus den Todesschwadronen, die FMLN aus der Guerilla. „Damit schließen wir das schmerzhafte Bürgerkriegskapitel und versöhnen das Land“, sagte der 49-jährige Journalist vor seinen jubelnden Anhängern am Sitz der FMLN in der Hauptstadt San Salvador. Er versprach, sich für Demokratie, Rechtsstaat und insbesondere die 35 Prozent der Bevölkerung einzusetzen, die zu den Armen des Landes gehören. Seinen unterlegenen Gegner rief er auf, die Intoleranz und den Revanchismus abzulegen, und bot ihm Dialog und Zusammenarbeit an, um gemeinsam die Probleme des Landes zu lösen.

Der Wahltag verlief weitgehend ruhig, über 60 Prozent der vier Millionen Wahlberechtigten waren an die Urnen gegangen. In San Salvador feierten die FMLN-Anhänger ausgelassen mit den roten Parteifahnen auf den Straßen. Am Parteisitz von Arena herrschte dagegen Niedergeschlagenheit und Ungläubigkeit. Der unterlegene Rodrigo Avila, ein Ex-Offizier und Polizeidirektor, brauchte mehrere Stunden, bis er seine Niederlage eingestand.

Auf das Gesprächsangebot von Funes ging er nicht ein. „Arena wird eine aufmerksame, konstruktive Oppositionsarbeit leisten und die Freiheit verteidigen“, sagte er. „Die Wahl hat gezeigt, dass das Land in zwei gleich große Lager gespalten ist.“

Jesuitenschüler Funes versprach indes, die „Option für die Armen“ werde sein Leitbild sein. Vom sozialistischen Weg, den unter anderem Nicaragua, Venezuela, Ecuador und Bolivien eingeschlagen haben, war aber nicht die Rede. Vielmehr forderte er die Unternehmer zur Zusammenarbeit auf und versprach, das Privateigentum zu achten.

Seine Gegner sehen in Funes einen autoritären Sozialisten, einen Abklatsch des venezolanischen Präsidenten Hugo Chavez, der im verarmten Mittelamerika bislang Honduras, Nicaragua und Costa Rica mit billigem Erdöl beliefert. Er hat auch der neuen Regierung von El Salvador verbilligtes Erdöl angeboten. Er sei an einer Kooperation mit Venezuela interessiert, die Beziehungen zu den USA hätten aber Vorrang für ihn, hatte Funes in einem Interview gesagt.

Der politisch unbeleckte TV-Journalist, der im Juni sein Amt antritt, wird vor großen Herausforderungen stehen. El Salvador gehört mit knapp 50 Morden auf 100 000 Einwohner zu den gewalttätigsten Ländern der Erde. Das Land von der Größe Hessens, das früher Zucker, Kaffee, Indigo und Baumwolle produzierte, lebt inzwischen hauptsächlich von den Devisenüberweisungen ausgewanderter Landsleute. Rund 2,5 Millionen Salvadorianer leben und arbeiten in den USA. Die Steuerquote liegt bei niedrigen 13 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, 40 Prozent der Salvadorianer sind arbeitslos oder unterbeschäftigt, die Wirtschaft wuchs in den vergangenen Jahren kaum. Die FMLN stellt zwar die knappe Mehrheit im Kongress, aber um die vielen anstehenden Reformen in Angriff zu nehmen, ist nach Ansicht des Analysten Roberto Izurieta von der Universität George Washington ein nationaler Pakt vonnöten.

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