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Politik: Reif fürs Festland?

Das Patt nach der Wahl im türkischen Teil Zyperns erfordert Kompromisse: Die Nationalisten gehen auf die Europa-Anhänger zu

Die Menschen im türkischen Teil Zyperns wollen zu Europa gehören, fürchten aber eine überstürzte Wiedervereinigung mit der griechischen Inselrepublik. Das ist die Botschaft der Parlamentswahl in der nur von Ankara anerkannten „Türkischen Republik Nordzypern“ (KKTC) vom Sonntag. Im neuen Parlament bekamen Europa-Anhänger und Europa-Skeptiker jeweils 25 der 50 Mandate. Das Patt macht die Regierungsbildung schwierig, könnte aber neue Impulse für die Friedensbemühungen bringen: Erstmals wurde eine Partei zur stärksten Kraft, die eine rasche Vereinigung mit der griechischen Inselrepublik befürwortet. Die neuen Realitäten kann selbst Volksgruppenführer Rauf Denktasch als führender Hardliner nicht ignorieren. Das zeigte sich schon am Tag nach der Wahl, als Denktasch neue Vorschläge für den Friedensprozess andeutete.

Oppositionsführer Mehmet Ali Talat brachte seine CTP auf 35,2 Prozent der Stimmen und 19 Sitze; die Partei konnte damit ihren Stimmenanteil im Vergleich zur Wahl 1998 fast verdreifachen. Die mit Talat verbündete BDH kam auf 13,1 Prozent und sechs Mandate. Die Regierungsparteien erlitten herbe Stimmenverluste. Die UBP von Regierungschef Dervis Eroglu erzielte 32,9 Prozent – fast acht Prozentpunkte weniger als 1998 – und erhält 18 Sitze; ihr Bündnispartner, die von Denktaschs Sohn Serdar geführte DP, sackte um zehn Punkte ab und kam auf 12,9 Prozent und sieben Sitze.

Weil der Erfolg der Opposition nicht zur Übernahme der Regierungsgewalt reicht, wird in Nikosia bereits über baldige Neuwahlen spekuliert, die aber angesichts der Spaltung der Wählerschaft auch wieder in einem Patt enden könnten. Als möglicher Ausweg gilt ein Bündnis der beiden pro-europäischen Parteien unter Talats Führung mit der DP von Denktasch junior. Voraussetzung dafür wäre allerdings, dass Talat seine Forderung nach Ablösung von Denktasch senior als Verhandlungsführer in den Gesprächen mit der griechischen Seite fallen lässt.

Rauf Denktasch, dessen Amtszeit als „Präsident“ Nordzyperns bis 2005 reicht und der deshalb am Sonntag nicht zur Wahl stand, lehnt im Gegensatz zu Talat den Friedensplan für Zypern von UN-Generalsekretär Kofi Annan ab. Die Wahl habe gezeigt, dass zwar alle Menschen in der KKTC eine Einigung mit den Griechen wollten, der Annan-Plan aber von der Hälfte der Bevölkerung abgelehnt werde, sagte Denktasch am Montag. Trotz der Verluste der konservativen Regierung fühlt er sich deshalb gestärkt – und muss seinen Gegenspieler Talat vorerst nicht zum Regierungschef ernennen. Dennoch deutete Denktasch am Tag nach der Wahl erstmals Kompromissbereitschaft bei einem Kernthema der Zypern-Gespräche an: dem von ihm favorisierten Modell eines losen Staatenbundes von Türken und Griechen auf der Insel, das jedoch von griechischer Seite und der internationalen Gemeinschaft abgelehnt wird. Der Staatenbund könne als Brücke zu einem engeren Verbund zwischen Türken und Griechen fungieren, sagte Denktasch – und näherte sich damit zumindest ansatzweise den Vorstellungen von EU und UN an.

Auch die Türkei will bald neue Vorschläge für eine Zypern-Lösung vorlegen. Ankara befürchtet negative Folgen für die eigene EU-Bewerbung, wenn Fortschritte auf der Insel ausbleiben. Dies erzeugt Druck auf Denktasch und ermuntert Talat: Nordzypern bewegt sich nach den Wahlen auf Europa zu.

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