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Politik: Reihenweise Korrekturen - der Regierung fehlen die Konzepte

Da standen sie im Herbst 1998, frisch an der Macht, und konnten es kaum glauben. Die Regierung war rot-grün.

Da standen sie im Herbst 1998, frisch an der Macht, und konnten es kaum glauben. Die Regierung war rot-grün. Dass die Erwartungen der Sozialdemokraten auf eine Große Koalition gerichtet gewesen waren, ist eines der Geburtsmerkmale der Koalition.

Der grüne Außenminister hatte sich gründlich vorbereitet auf sein Amt und ein Buch zum Thema veröffentlicht. SPD-Chef Lafontaine wusste seit dem Sommer 98, was Fischer werden will. Der eigenen Partei hatte er längst klargemacht, dass auch Jürgen Trittin auf der Ministerbank sitzen wird. Fischer reiste in den nächsten Monaten viel und kümmerte sich wenig um seine Partei. Auch nicht um Trittin, der Kraft seines Ministeramtes beim Atomausstieg in einer Weise vorpreschte, die es dem Kanzler leicht machte, den grünen Umweltminister immer wieder zu deckeln. Im Mai flog dem Außenminister auf einem grünen Parteitag ein Farbei ans Ohr, wegen des Kosovo-Krieges. Ost-Timor, der Panzer für die Türkei - das zehrt an den Grünen und der Koalition.

Der frischgebackene Kanzler hat sich vor der Wahl arrangieren müssen. Für die ersten hundert Tage galten die Wahlversprechen, die Oskar Lafontaines Handschrift trugen. Rücknahme hieß die Devise bei Kündigungsschutz, Lohnfortzahlung, Zuzahlung bei Medikamenten und Zahnersatz und den Renten. Die Grünen machten mit, obwohl sie im Einzelnen nicht einverstanden waren, wie bei der Rentenformel.

Teure Versprechen, das muss Andrea Fischer, die neue Gesundheitsministerin, hinnehmen. Sie muss auch mit den persönlichen Kränkungen leben, die bei der Neuverteilung der Macht eintreten können. Der Sozial-Experte der SPD, Rudolf Dreßler, ging bei der Regierungsbildung leer aus. Und bald pfiffen es die Spatzen von den Dächern, dass der rote Fraktionsmann der neuen Gesundheitsministerin gar nicht grün ist.

Auf dem Job, den Dreßler noch lieber gehabt hätte, kämpfte nun Walter Riester. Den Schröder ins Kabinett geholt hat, aber schnell mit Machtworten und Korrekturen umstellte, als es um die 630-Mark-Jobs und die Scheinselbständigkeit ging. Fast entgeistert sahen die Grünen mit an, wie zwischen Arbeitsministerium, Kanzleramt und SPD-Fraktion ein dissonantes Konzert gespielt wird, dessen Ende nicht abzusehen ist.

Lafontaine hat sich zurückgezogen, Gerhard Schröder muss sich nicht mehr arrangieren - doch nun wird offenbar, dass keine Konzepte in den Schubladen liegen. Der Sparkurs kommt unvermittelt, die Wahlniederlagen in Serie.

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