zum Hauptinhalt
Deutlich mehr kleine Waffenscheine wurden vergeben.

© Carsten Rehder/dpa

Exklusiv

Rekordzahl von 670.000 Waffenscheinen: Die Bundesbürger rüsten auf

Immer mehr Deutsche wollen sich bewaffnen: Die Zahl der kleinen Waffenscheine steigt auf 670.000. Zudem sind jetzt 33.000 Schusswaffen weg – zwei neue Rekorde.

Die Zahl verschwundener privater Schusswaffen in Deutschland hat einen neuen Rekord erreicht: Ende Januar 2020 waren laut Nationalem Waffenregister 33.191 Schusswaffen nicht mehr auffindbar. Damit stieg die Zahl der verschwundenen Waffen um knapp 15 Prozent innerhalb von zwölf Monaten.

Und: Seit 2016 hat sich die Zahl der abhandengekommenen privaten Schusswaffen von etwa 17.500 auf den heutigen Wert nahezu verdoppelt. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen hervor, die dem Tagesspiegel vorliegt. Demnach wurden vergangenes Jahr knapp 6500 der Waffen als gestohlen gemeldet.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Außerdem rüsten die Bundesbürger auf – auch die Zahl der sogenannten Kleinen Waffenscheine ist stark gewachsen. Ihre Zahl ist nach Angaben der Bundesregierung im Zeitraum von Ende Januar 2019 bis Ende Januar 2020 von 620.000 auf knapp 670.000 gestiegen. Das entspricht einem Zuwachs von acht Prozent. Ende Januar 2018 waren es nur 565.000 gewesen.

Erst vor wenigen Wochen war nach dem Anschlag von Hanau erneut die Diskussion über eine Verschärfung des Waffenrechts aufgekommen: Der Täter war psychisch krank gewesen und hatte als Sportschütze Waffen besessen. Im Dezember hatte der Bundestag mit den Stimmen von Union und SPD das Waffenrecht verschärft: Künftig müssen die Behörden immer beim Verfassungsschutz nachfragen, bevor sie Waffenerlaubnisse vergeben. „Keine Waffen in die Hände von Extremisten“, sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) dazu.

Damit wurde zugleich die geänderte europäische Feuerwaffenrichtlinie in deutsches Recht umgesetzt. In Zukunft soll nun alle fünf Jahre überprüft werden, warum ein Bürger überhaupt eine Waffe braucht. Zudem wurden die meisten großen Magazine verboten.

Die wichtigsten Fakten über private Schusswaffen in Deutschland:

  • Insgesamt sind im Nationalen Waffenregister aktuell 5,45 Millionen Waffen und Waffenteile gespeichert.
  • Ende Januar 2020 waren 33.191 Schusswaffen nicht mehr auffindbar. Ein Jahr zuvor waren es 18.901 gewesen.
  • Seit 2016 hat sich die Zahl der abhandengekommenen privaten Schusswaffen von etwa 17.500 auf den heutigen Wert nahezu verdoppelt.
  • Die Zahl der Kleinen Waffenscheine ist in Deutschland innerhalb eines Jahres von 619.816 auf 670.567 gestiegen.
  • Aktuell sind 25.031 Personen mit einem Waffenbesitzverbot gespeichert.

Auch die Zahl der illegal zirkulierenden Waffen hatte eigentlich verringert werden sollen: Der Bundesrat hatte 2017 einer von der Bundesregierung geplanten einjährigen Amnestie für illegalen Waffenbesitz zugestimmt. Wer verboten erworbene Waffen und Munition bei den Behörden abgibt, soll nicht bestraft werden.

„Es muss davon ausgegangen werden, dass potenziell jede dieser als abhanden gemeldeten Schusswaffen jetzt einer Person zur Verfügung steht, die sie legal nicht hätte erwerben wollen oder können“, sagt die Innenpolitische Sprecherin der Grünen, Irene Mihalic. „Vor allem die rechtsextreme Szene ist sehr waffenaffin und zu Anschlägen bereit.“

Sie fordert eine Pflicht zur regelmäßige Selbstauskunft für private Waffenbesitzer, „damit der Hauptunterschied zu einem liegen gebliebenen Schal in der U-Bahn oder einer verlorenen, scharfen Schusswaffe die obligatorische Meldung an die Waffenbehörde ist“.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) warnte, dass jede verschwundene Waffe ein Risiko berge, bei einer Straftat eingesetzt zu werden. „Es wäre sicherlich naiv zu glauben, die entsprechenden Waffenbesitzer wären schusselig und hätten vergessen, wo sie ihre Waffen gelassen hätten“, sagte GdP-Vizechef Jörg Radek. Unter anderem aufgrund von Personalengpässen sei aber nicht zu ermitteln, wo die Schusswaffen geblieben seien.

Über einen Waffenschein verfügten 2018 laut Bundesinnenministerium auch mehr als 900 sogenannte „Reichsbürger“ etwa 200 mehr als noch ein Jahr zuvor. Die zumindest teilweise rechtsextreme Bewegung erkennt den Staat nicht an und meint, das 1945 untergegangene Deutsche Reich existiere weiter. Nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz gelten Reichsbürger als „waffenrechtlich unzuverlässig“ und müssen Waffen samt Munition abgeben.

Über den allgemeinen „zunehmenden Trend der Selbstbewaffnung“ zeigte sich die GdP sehr besorgt. „Mehr Waffen führen nicht zu mehr Sicherheit“, sagte Radek. Es müsse nach Möglichkeiten einer noch effektiveren Entwaffnung gesucht werden. „Es darf ja nicht vergessen werden, dass das Gewaltmonopol beim Staat liegt.“

Zur Startseite