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Papst

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Religion und Diplomatie: Streit um vergiftetes Gebet des Papstes

In der Diskussion um die Karfreitagsfürbitte des Papstes droht der Zentralrat der Juden mit dem Ende des Dialogs. Jüdische Vertreter fühlen sich brüskiert und kommen nicht zum Katholikentag. Der Anlass sind zwei lateinische Sätze.

Die Vorwürfe nehmen an Schärfe zu, die Gemüter lassen sich nicht besänftigen. Und im Kreis der obersten Vatikandiplomaten wächst die Nervosität. Denn im Verhältnis zwischen Judentum und katholischer Kirche droht durch Papst Benedikt XVI. ein empfindlicher Rückschlag, der das von Vorgänger Johannes Paul II. über Jahre erworbene Vertrauen wieder zunichte machen könnte. Anlass sind zwei lateinische Sätze, die der Papst eigenhändig als Karfreitagsfürbitte für die von ihm wiederzugelassene tridentinische Messe konzipiert hatte. Im traditionellen Ritus wurde bis 1962 im Blick auf die Juden gebetet, Gott möge den „Schleier von ihren Herzen wegnehmen“. Zwar milderte Benedikt XVI. diese verletzenden Passagen ab und formulierte, Gott möge „ihre Herzen erleuchten, damit sie Jesus Christus erkennen, den Heiland aller Menschen.“ Trotzdem wurde seine Version von jüdischer Seite als schwerer Affront gewertet, auch wenn sie an Karfreitag nur in wenigen hundert Kirchen tatsächlich gesprochen wurde. Die jüdischen Vertreter sehen in der Benedikt-Formulierung die alten antijudaischen Vorurteile wieder aufkeimen und verstehen sie zudem als – zumindest indirekten – Aufruf zur Missionierung der Juden.

Charlotte Knobloch, die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, will den Dialog mit der katholischen Kirche beenden, sollte der Papst die Sätze nicht zurücknehmen. Rabbiner Walter Homolka, der Leiter des Potsdamer Abraham-Geiger-Kollegs, und der Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik sagten ihre Teilnahme am Katholikentag in Osnabrück Ende Mai ab. „Zwei Schritte vorwärts, drei zurück“, kommentierte Abraham Foxman die neue Formulierung gegenüber Radio Vatikan. Foxman ist Nationaldirektor der Anti-Defamation League, eine der wichtigsten jüdischen Organisationen der USA.

Nachdem der am Heiligen Stuhl für die Ökumene zuständige Kardinal Walter Kaspar in der Karwoche in einem Zeitungsbeitrag vergeblich versucht hatte, die Wogen zu glätten, legte nun der „Außenminister“ des Vatikans, Kardinal Tarcisio Bertone, mit einer ungewöhnlichen Geste nach. In einem 30 Zeilen umfassenden Kommuniqué versichert er, die neue Formulierung habe „in absolut keiner Weise“ die Absicht, „einen Wechsel der Haltung zu bekunden, die die katholische Kirche gegenüber den Juden entwickelt hat“. Es ändere sich nichts „an dem Respekt der katholischen Kirche gegenüber den Juden“.

„Bertones Worte werden die Debatte noch befeuern“, sagte Rabbiner Walter Homolka. Der Vatikan habe erneut versäumt, der Judenmission eine klare Absage zu erteilen. „Respekt“ könne man jedem gegenüber bezeugen, das sei eine „diplomatische Phrase“. Auch Stephan Kramer, den Generalsekretär des Zentralrats der Juden, haben Bertones Ausführungen nicht beruhigt. Er hält aber wenig von einem Boykott des Kirchentags. „Wir sollten ihn nutzen, um ohne diplomatische Floskeln klarzumachen, dass das so nicht geht.“ Außerdem würden nicht alle Katholiken denken wie der Papst.

Um das Verhältnis zum Judentum zu beruhigen, setzt die Kuriendiplomatie jetzt ganz auf die anstehende USA-Reise des Papstes. Nachträglich und „auf ausdrücklichen Wunsch des Vatikan“ wurden in das Programm ein Treffen mit jüdischen Vertretern in Washington eingeschoben sowie ein Besuch in der New Yorker Park-East-Synagoge.

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