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Die Sehitlik-Moschee am Berliner Columbiadamm.

© imago/Sven Lambert

„Religionsmonitor“: Jeder zweite Deutsche sieht den Islam als Bedrohung

Die Deutschen sind tolerant – nur nicht gegenüber dem Islam. Das zeigt der „Religionsmonitor“. Unabhängig vom Glauben ist die Zustimmung zur Demokratie groß.

Rund die Hälfte der Bundesbürger nimmt einer aktuellen Studie zufolge den Islam als Bedrohung wahr. In Ostdeutschland liegt der Anteil mit 57 Prozent noch höher als in Westdeutschland (50 Prozent), wie die Bertelsmann Stiftung am Donnerstag mitteilte. Das ist das Ergebnis der Untersuchung „Weltanschauliche Vielfalt und Demokratie“ auf Basis des repräsentativen „Religionsmonitors“.

Offenbar würden viele Menschen den Islam derzeit weniger als Religion, sondern vor allem als politische Ideologie ansehen, erklärte die Religionsexpertin der Stiftung, Yasemin El-Menouar. Auch durch die gesellschaftlichen Debatten und Medienberichte der vergangenen Jahre sei der Islam häufig in einen negativen und kritischen Kontext gerückt worden.

Die Mehrheit der Bundesbürger (87 Prozent) ist der Untersuchung zufolge zwar grundsätzlich offen gegenüber anderen Weltanschauungen eingestellt. Doch nur knapp jeder zweite Deutsche ist der Meinung, dass religiöse Pluralität die Gesellschaft bereichert. Den Islam wertet lediglich ein Drittel der Bevölkerung als Bereicherung. Christentum, Judentum, Hinduismus und Buddhismus werden hingegen von einer Mehrheit als bereichernd empfunden

Durch persönliche Begegnungen nimmt die Ablehnung gegenüber dem Islam der Studie zufolge ab. Menschen, die regelmäßig Kontakt zu Angehörigen anderer Religionen haben, würden religiöse Vielfalt und den Islam seltener als Bedrohung empfinden, heißt es. Fast jeder Zweite dieser Gruppe (46 Prozent) sähe den Islam als Bereicherung an. Bei Menschen, die kaum persönlichen Kontakt zu anderen Religionen haben, halten hingegen 64 Prozent den Islam für bedrohlich.

In der verbreiteten Islamskepsis sieht die Religionsexpertin der Bertelsmann Stiftung, Yasemin El-Menouar, Grund zur Sorge: „Bestehende Vorbehalte bieten rechtspopulistischen Gruppierungen und Parteien Anknüpfungspunkte“, so El-Menouar. Sorgen und Ängste könnten instrumentalisiert werden und aus einer Skepsis Ablehnung machen. Basis für ein gelingendes Zusammenleben ist für sie der persönliche Kontakt. „Genau an diesem Punkt können Praxisprojekte ansetzen und den Austausch und die persönliche Begegnung gezielt fördern.“

30 Prozent der Ostdeutschen wollen keine Muslime als Nachbarn

In Ostdeutschland, wo wenig Muslime leben, fallen die Vorbehalte stärker aus als im Westen. So wollen laut Erhebung 30 Prozent im Osten und 16 Prozent im Westen keine Muslime als Nachbarn. Solche abgrenzenden, ablehnenden Haltungen könnten die demokratische politische Kultur gefährden, warnte der Studienautor und Religionssoziologe Gert Pickel. Bundesweit wird die Zahl der Muslime auf rund fünf Millionen geschätzt, mit 1,5 Millionen leben unter allen Bundesländern die meisten in Nordrhein-Westfalen.

Die Islamskepsis sei aber nicht unbedingt mit Islamfeindlichkeit gleichzusetzen, betonte Stiftungsexpertin El-Menouar. Diese sei allerdings definitiv vorhanden bei 13 Prozent der Bevölkerung, die die Zuwanderung von Muslimen stoppen wollten.

Breite Zustimmung für Demokratie bei allen Religionen

Bei den Angehörigen der verschiedenen Religionen stoßen demokratische Werte und Prinzipien der Studie zufolge auf breite Zustimmung – ob Judentum, Christentum oder Islam. Die große Mehrheit von 89 Prozent der Bevölkerung - über alle Religionen hinweg - hält die Demokratie in Deutschland für eine gute Regierungsform.

Mit Zuwanderung und Globalisierung ist die religiöse Vielfalt in Deutschland gestiegen. Weder diese Pluralität noch der Grad der Religiosität beeinflussen der Analyse zufolge die Einstellungen zur Demokratie. „Angehörige egal welcher Religion können gute Demokraten sein“, betonte Studienautor Pickel

Der Studie zufolge erweist sich aber die demokratische Kultur grundsätzlich als ein stabiles, von der breiten Mehrheit getragenes Fundament: Unter Christen sprechen sich 93 Prozent, unter Muslimen 91 Prozent, unter Konfessionslosen 83 Prozent für die Demokratie aus.

Der „Religionsmonitor“ der Bertelsmann Stiftung untersucht international die Bedeutung von Religion für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Grundlagen sind repräsentative Bevölkerungsumfragen. Die Ergebnisse der Studie basieren auf Daten des „Religionsmonitors“ 2017, außerdem wurden bei einer Nacherhebung im Frühjahr 2019 vom infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft in Bonn rund 1000 Bundesbürger befragt. (dpa, epd, KNA)

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