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Renate Künast: Grüne Träume

Parteifreunde drängen Künast zur Spitzenkandidatur in Berlin – doch die will erst im Herbst entscheiden

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Berlin - Angesichts hoher Umfragewerte für die Grünen in Bund und Ländern wächst der Druck auf die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Renate Künast, die Weichen für eine Spitzenkandidatur bei der Berlin-Wahl im Herbst 2011 zu stellen. Ein solcher Schritt müsse durch den Landesverband der Berliner Politikerin rechtzeitig vorbereitet werden, heißt es in Parteikreisen im Bund und in Berlin. Neuen Schub erhalten die Pläne der Grünen durch den jüngsten Absturz des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) in Umfragen.

Es gebe in Berlin „die reale Chance, gegen den resignierenden Bürgermeister Klaus Wowereit anzutreten und zu gewinnen“, sagte der Grünen-Europaabgeordnete Werner Schulz dem Tagesspiegel. Aufgrund ihrer guten Umfrageergebnisse müsse sich seine Partei darauf vorbereiten, dass sie zum ersten Mal die Position eines Ministerpräsidenten erkämpfen könne. „Die Frage der Spitzenkandidatur muss in diesem Jahr geklärt werden“, forderte der Berliner Politiker. „Es läuft auf Renate Künast zu, aber es ist allein ihre Entscheidung“, fügte er hinzu. Ein Wechsel Künasts zurück in die Landespolitik würde auch die Bundespartei vor Probleme stellen, meinte Schulz: „Aber für Berlin und die Weiterentwicklung der Partei wäre es ungeheuer hilfreich.“ Der Berliner Bundestagsabgeordnete Hans- Christian Ströbele hatte sich schon im Januar für eine Spitzenkandidatur der Fraktionschefin ausgesprochen.

Zwar konzentriert sich die Bundeszentrale der Grünen angesichts des Höhenflugs in den Umfragen nun vor allem auf das Ziel, am 9. Mai bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen die schwarz- gelbe Regierung von Jürgen Rüttgers (CDU) abzulösen. Doch die Aussicht, glaubhaft den Anspruch auf die politische Führung in der Hauptstadt zu erheben und das Rote Rathaus zu erobern, lässt auch wichtige Bundespolitiker der Ökopartei ins Schwärmen geraten. Ein Erfolg würde nach Meinung vieler Grüner der ganzen Partei einen neuen Schub geben. „Es wäre eine neue Qualität“, meinte ein Bundestagsabgeordneter.

Künast selbst wehrt die Frage nach ihrer möglichen Kandidatur kategorisch ab. Sie will sich nach Angaben aus ihrem Landesverband im November erklären. Dabei wird ihr Entscheidungsspielraum umso kleiner, je besser die Umfragen für die Grünen ausfallen. „Unbeschädigt kann sie nicht mehr verzichten“, sagte einer ihrer Mitstreiter aus Berlin.

Denn auch Meinungsforscher rechnen mit einem Verstärkereffekt einer Bürgermeisterkandidatur der Berlinerin. „Die Grünen haben 2011 durchaus die Chance, stärkste Partei zu werden“, sagte Forsa-Chef Manfred Güllner dem Tagesspiegel. Künast sei sehr bekannt und gelte als seriös. „Wenn sie tatsächlich antritt und das Amt des Regierenden Bürgermeisters beansprucht, würde das die Glaubwürdigkeit und Akzeptanz der Grünen stärken und damit ihre Wahlchancen erhöhen“, meinte der Institutsleiter.

Längst haben Landes- und Bundespolitiker die wichtigste Voraussetzung für einen Erfolg Künasts identifiziert: Der Landesverband der Berliner Politiker muss sorgfältig auf eine Spitzenkandidatur vorbereitet werden. „Das erfordert ein anderes Selbstverständnis“, sagte ein prominenter Grüner aus Berlin. Die Berliner Basis der Partei müsse alle Politikfelder besetzen und dazu seriöse Vorschläge erarbeiten, forderte ein langjähriger Bundespolitiker der Partei: „Das Potenzial ist da. Und ich bin dafür, dass wir es heben.“

Die Grünen rechnen damit, dass sie in der Hauptstadt von dem Moment an unter verschärfter Beobachtung stehen, in dem Künast sich entscheidet. „Die Menschen sehen anders hin, wenn eine Partei den Regierungsanspruch erhebt“, sagte ein erfahrener Berliner Grüner: „Das würde uns einiges abverlangen.“

Wahlforscher erklären, dass vor allem SPD-Sympathisanten die Grünen in jüngsten Umfragen auf rund 15 Prozent heben. Ihre besten Ergebnisse erzielt die Ökopartei traditionell in Großstädten. Diese Erkenntnis muss auch Wowereit alarmiert haben. Während viele Sozialdemokraten von einem Bündnis mit den Grünen nach der NRW-Wahl schwärmen, attackierte Wowereit die Grünen kürzlich scharf. „Sie werden zunehmend zu einer Partei der Beliebigkeit“, schimpfte er. Vor allem jüngere Grüne seien auf dem Weg „reiner Machtpolitik“.

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