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Politik: Rente am Rande

Wie Merkel dem Problem Altersarmut ausweicht.

Recklinghausen - Es dauert volle vier Stunden, bis das Wort zum ersten Mal in die Tagung eingeführt wird. Erst als der Leitantrag der CDU-Senioren offiziell vorgestellt wird, taucht der Begriff „Altersarmut“ auf. Ganz am Ende dieses Leitantrages wenden sich die Autoren dem Problem zu, das nicht nur in der Union hitzig debattiert wird. Die Senioren der Union debattieren dieses Problem aber nicht annähernd so zugespitzt, wie es andere auch innerhalb der Partei versuchen. Sie beschränken sich darauf, den Gesetzgeber höflich zu bitten, das Thema Altersarmut „nicht zu unterschätzen“.

Kanzlerin Angela Merkel weilt zu diesem Zeitpunkt noch nicht im Recklinghausener Festspielhaus, aber ihr wurde überliefert, dass die Senioren wenig Neigung entwickelt haben, sie auf die Probe zu stellen. Als sie anschließend redet, handelt sie das wichtigste innenpolitische Thema mit wenigen Bemerkungen ab. Dass in der Union um die Rente kontrovers debattiert wird, kommentiert sie mit den Worten: „Das ist der Wettstreit um die beste Lösung.“ Ob sie eine Lösung aus Beitragsmitteln oder Steuern bevorzugt, muss sie ebenfalls nicht preisgeben. Sie schließt diesen Teil der Debatte mit einem einfachen Kunstgriff ab: „Die Debatte wird weitergehen.“

Auch aus Berlin ist am gleichen Tag Eindeutiges nicht zu hören. Dort sagt Regierungssprecher Steffen Seibert vor der Bundespressekonferenz zur Forderung von Ursula von der Leyen nach einer Zuschussrente: „Es ist ganz richtig, dass die Arbeits- und Sozialministerin den Blick auf das Problem der Altersarmut wirft.“ Merkel unterstütze Leyen beim Kampf gegen Altersarmut. Aber, so Seibert weiter, es müsse nun darüber geredet werden, ob die angedachte Zuschussrente „diese systematische Antwort sein kann“.

In Recklinghausen hat auch Otto Wulff, der Vorsitzende der Senioren- Union, das Thema Rente in seiner Einleitung nur kurz gestreift. Erst im späteren Gespräch auf dem Flur wird er deutlicher. „Mit ist egal, wie Altersarmut beseitigt wird“, sagt er dann. Und lässt, wie die Kanzlerin, offen, ob er die dafür notwendigen Mittel aus Steuern oder über die Beiträge einsammeln will. Vielleicht weil bei dieser Konferenz Philipp Missfelder, der Chef der Jungen Union, neben ihm sitzt: Wulff fügt hinzu, dass jede Lösung sowohl die Interessen der alten wie der jungen Generation berücksichtigen müsse.

Warum die Harmonie so groß geschrieben wird, hat Missfelder, der seinen Wahlkreis in Recklinghausen hat, in einem Begrüßungsbrief an die Delegierten klargemacht. Er mahnte seine Parteifreunde eindringlich, vor der Bundestagswahl im kommenden Jahr zusammenzustehen und sich nicht durch kontroverse Debatten gegen die versammelte „Linke“ zu schwächen. Das ist bei den Senioren absolut mehrheitsfähig – und würde auch Merkel gefallen.Jürgen Zurheide (mit dapd)

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