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Politik: Rente: Reform im Schwebezustand

Eigentlich stand der Punkt "Zweite und dritte Lesung des SPD/Grüne-Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit" gar nicht mehr auf der Tagesordnung, als sich die SPD-Abgeordneten im Fraktionssaal des Reichstagsgebäudes versammelten. Doch gerade wegen dieser Absetzung barg das Thema plötzlich Zündstoff.

Eigentlich stand der Punkt "Zweite und dritte Lesung des SPD/Grüne-Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit" gar nicht mehr auf der Tagesordnung, als sich die SPD-Abgeordneten im Fraktionssaal des Reichstagsgebäudes versammelten. Doch gerade wegen dieser Absetzung barg das Thema plötzlich Zündstoff. Es führte zur "einzigen richtigen kontroversen Diskussion" in dieser Sitzung, berichtete ein Teilnehmer später. Der grüne Koalitionspartner hatte erzwungen, dass der Gesetzentwurf kurzfristig von der Tagesordnung genommen wird.

Der Vorwurf der Grünen an die Sozialdemokraten: Mit dem Gesetz würden finanzielle Lasten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, für die Sozialminister Walter Riester (SPD) aufkommen müsse, bei der grünen Gesundheitsministerin abgeladen. Unklar blieb nur, wie hoch diese Zusatzbelastung der Krankenkassen ist. Riester spricht von 400 bis 500 Millionen Mark, die AOK von 1,8 Milliarden. Ein Sprecher Fischers wollte die Zahlen, von der seine Ministerin ausgeht, am Mittwoch nicht mitteilen.

Ein Versuch, den Konflikt am Dienstag abend bei einer Koalitionsrunde im Kanzleramt zu lösen, ist gescheitert. "Es hat sich nichts bewegt", hieß es anschließend bei den Grünen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Wilhelm Schmidt, beschrieb die Situation nach dem Krisengespräch am Mittwoch mit den Worten: "Es ist ein Schwebezustand, was die Kosten angeht." Seine Fraktion erwarte jetzt, "dass es eine Regelung gibt, die alle mittragen".

Im Sozialministerium wunderte man sich derweil, warum Gesundheitsministerin Fischer die Belastungen der Krankenkassen erst jetzt zum Thema macht und einen Koalitionskrach riskiert. Die Sprachregelung lautet: "Die Gespräche werden fortgesetzt." Dabei steht die Koalition unter Druck, denn aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Nächste Woche steht die abschließende Beratung des Gesetzes über Erwerbsunfähigkeitsrenten erneut auf der Tagesordnung. Bis dahin muss die Koalition sich einigen.

Einfach werden diese Gespräche nicht. Auch wegen der geplanten Rentenreform ist das Klima in der Koalition angespannter geworden. Zwar tragen die Grünen die Entscheidung mit, den Aufbau der geplanten zusätzlichen Privatrente erst ab 2002 finanziell zu fördern. Sie wollen den Anstieg der gesetzlichen Rente aber dennoch bereits ab 2001 abbremsen. Nur wenn der Ausgleichsfaktor nicht verschoben werde, könne die Grünen-Fraktion zustimmen, hieß es nach der Koalitionsrunde aus der Fraktion. Auch darüber soll die Rentenexpertin der Fraktion, Katrin Göring-Eckardt mit dem Koalitionspartner sprechen. Riester plant bis jetzt, den Anstieg der Renten erst 2003, nach der Bundestagswahl, zu begrenzen.

Die Sozialdemokraten sind wegen der neuen Querelen auf ihren Koalitionspartner nicht gut zu sprechen. Wilhelm Schmidt forderte die Grünen auf, endlich zu entscheiden, wer für sie spricht. Die Fraktionsvorsitzenden Rezzo Schlauch und Kerstin Müller sollten die Zügel in den eigenen Reihen vielleicht stärker in die Hand nehmen, sagte er.

Doch auch mit dem eigenen Minister scheint die SPD-Fraktion nicht uneingeschränkt zufrieden zu sein. Zur Verschiebung des Aufbaus der Privatvorsorge meinte Schmidt jedenfalls, er "bedauere, dass wir relativ spät informiert werden". Auf die Frage, ob Sozialminister Riester durch das neuerliche Hin und Her um die Rentenreform geschwächt sei, antwortete Schmidt, es gehe bei der Rente darum, "in der Sache die Probleme zu lösen. Da ist die Frage von Personen völlig zweitrangig".

Schmidt zeigte sich aber zuversichtlich, den Zeitplan bei der Rentenreform halten zu können. Am kommenden Dienstag wollen SPD- und Grünen-Fraktion über den Gesetzentwurf abstimmen, am Mittwoch entscheidet das Kabinett. Zwei Tage später soll sich der Bundestag erstmals mit der Reform befassen. Schmidt ließ auch durchblicken, warum das hohe Tempo bleiben soll. Bundeskanzler Gerhard Schröder wolle, "dass das Thema jetzt geregelt wird".

Carsten Germis

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