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Harald Christ.

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Rentendebatte: „Die Beitragszahler brauchen Sicherheit“

Der SPD-Mittelstandsbeauftragte Harald Christ mahnt ein Finanzierungskonzept für stabile Renten an. Er warnt davor, das Thema zu unterschätzen.

Die SPD verlangt eine Rentengarantie bis zum Jahr 2040. Glauben Sie, dass die Sozialdemokratie mit großzügigen Rentenversprechen Wähler zurückgewinnen kann?

Es geht nicht um großzügige Versprechen. Es geht um das Recht auf einen vernünftigen Lebensstandard im Alter. Wer sein Leben lang arbeitet, muss später auch Miete und Pflege bezahlen können. Und da genügt es nicht, wenn wir den Menschen eine stabile Rente bis 2025 garantieren, wie es im Koalitionsvertrag vorgesehen ist. Die Beitragszahler müssen jetzt wissen, wie es danach weitergeht, sie brauchen Sicherheit.

Vizekanzler Olaf Scholz sagt, es gehe bei der Rentengarantie auch darum, einen deutschen Trump zu verhindern. Lässt sich der Vormarsch der AfD so einfach stoppen? Wer sagt denn, dass die Rechtspopulisten nicht noch viel großzügigere Versprechen machen?

Die AfD stoppen wir sicher nicht allein mit einem Rentenkonzept. Um die Rechtspopulisten aufzuhalten, brauchen wir einen breiteren Ansatz. Trotzdem kann ich nur warnen, das Thema zu unterschätzen. Viele Menschen treibt es um, wie ihre Rente und ihre Pflege aussehen werden. Keine Ahnung, was die AfD für eine Antwort geben wird. Aber klar ist: Die SPD wird solide, umsetzbare Vorschläge vorlegen und sich nicht auf einen populistischen Überbietungswettbewerb einlassen.

Wenn die Rente auf dem heutigen Niveau von 48 Prozent bis zum Jahr 2040 stabilisiert wird, kostet das nach Einschätzung von Experten knapp 500 Milliarden Euro. Wer soll das bezahlen?

Was glauben Sie denn, was passiert, wenn nach 2025 das Rentenniveau immer weiter absinkt? Wenn die Altersarmut steigt, müssen die Sozialämter einspringen, das kostet auch Geld. Es hilft nicht, das Problem zu ignorieren. Der Betrag, den wir als Gesellschaft aufbringen müssen, wird dadurch nicht kleiner. Hinzu kommt: Im Moment steigen Pflegekosten, Mieten und Immobilienpreise. Das belastet diese und kommende Rentnergenerationen.

Aber muss ein seriöser Finanzminister nicht klar sagen, woher das Geld kommen soll und ob er dafür Steuern erhöhen will?

Warten Sie doch mal ab. Als Erstes hat Olaf Scholz jetzt das Ziel stabiler Renten formuliert, das finde ich richtig. Als Vertreter des Wirtschaftsforums der SPD und als Mittelstandsbeauftragter plädiere ich aber natürlich auch dafür, dass wir eine seriöse Gegenfinanzierung vorlegen.

Wie könnte die aussehen?

Da gibt es viele Hebel. Steigende Löhne und Gehälter, mehr Beschäftigung im ersten Arbeitsmarkt, weniger Teilzeitjobs und mehr Vollzeitstellen – all das sorgt für mehr Geld in der Rentenkasse. Wir müssen außerdem den Kreis derjenigen erweitern, die Beiträge zahlen. Ich denke da an die Freiberufler, die nicht ausreichend fürs Alter vorsorgen. Wir müssen aber auch neue Beitragszahler ins Land holen. Dafür brauchen wir ein Zuwanderungsgesetz, das qualifizierten Arbeitskräften ermöglicht, in Deutschland zu arbeiten. Und wir brauchen einen funktionierenden Arbeitsmarkt jenseits der 60 und lebenslange Qualifizierung. Es muss zum Beispiel mehr Möglichkeiten geben, im Alter zwischen 60 und 70 in Teilzeit zu arbeiten.

Sind für eine solide Finanzierung auch mehr Steuergelder notwendig?

Wir sollten ehrlich sein: Natürlich muss auf Dauer auch der Steuerzuschuss an die Rentenkassen steigen, wenn wir die Renten stabil halten wollen.

Das bedeutet also, dass die Steuern angehoben werden müssten?

In der jetzigen Situation geht das ohne Steuererhöhungen. Wie es nach 2025 aussieht, wird man sehen. Mir ist es aber lieber, die Steuerumlage zu erhöhen, als die Renten sinken zu lassen. Wenn Rentner eine stabile Rente haben, geben sie ihr Geld für den Konsum aus. Davon profitiert auch die Wirtschaft.

Schon das jetzt beschlossene Rentenpaket kostet 32 Milliarden Euro bis 2025. Den Beitragszahlern, Arbeitnehmern wie Arbeitgebern, entgeht dadurch im nächsten Jahr eine Beitragssenkung und damit eine Entlastung um 4,5 Milliarden Euro. Wie erklären Sie das den Mittelständlern, mit denen Sie zu tun haben?

Ich erinnere sie an den Generationenvertrag. Und ich erkläre ihnen, dass die Arbeitnehmer, die demnächst in Rente gehen, über viele Jahrzehnte dazu beigetragen haben, dass es den Unternehmen jetzt so gut geht. Und nicht zuletzt: Das Geld, das jetzt in die Renten investiert wird, ist wie ein Konjunkturprogramm, weil es auch wieder ausgegeben wird.

Lässt sich mit der gesetzlichen Rente allein der Lebensstandard im Alter überhaupt noch sichern?

Auch wenn wir das Rentenniveau stabilisieren, müssen wir den Menschen sagen, dass sie zusätzlich privat oder mit einer Betriebsrente vorsorgen sollten. Die gesetzliche Rente allein wird nicht reichen. Das Gespräch führten Cordula Eubel und Stephan Haselberger

Harald Christ (46) hat das Wirtschaftsforum der SPD mitbegründet und ist Mittelstandsbeauftragter seiner Partei. Der frühere Ergo-Vorstand gilt als Vertrauter von SPD-Chefin Nahles.

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