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Rentenerhöhung: Aus der Trickkiste

Die Politik erwacht aus ihrem Dornröschenschlaf und bemüht sich einmal mehr um das Wohl der Rentner. Eine Rentenerhöhung soll kommen. Aber das kostet die Staatskasse ersteinmal Geld.

Von Lutz Haverkamp

Die Politik scheint aufgewacht zu sein, aufgewacht aus einem tiefen Schlaf. Sie hatte offenbar einen bösen Traum. Einen Traum der Art, dass mit etwas Geld eine größere Wählergruppe wohlwollend gestimmt werden kann: die Rentner. Der Sozialminister Olaf Scholz muss – mit ausdrücklicher Unterstützung von Kanzlerin Angela Merkel – tief in die Trickkiste greifen, um die zu erwartende Rentenerhöhung von knapp 0,5 Prozent zum 1. Juli dieses Jahres auf etwa 1,1 Prozent hochschrauben zu können. Kosten: 2,5 Milliarden Euro. Sinn: keiner.

Allmählich scheint in der Politik anzukommen, dass das eigene Regierungshandeln der vergangenen Jahre bei den Menschen einiges angerichtet hat. Sie können sich immer weniger leisten – nicht nur die Rentner. Da kommen Preissteigerungen, vor allem für Strom, Gas, Benzin und Lebensmittel, mit einer Mehrwertsteuererhöhung und steigenden Sozialabgaben zusammen – das trifft alle. Die Nettoeinkommen der Bundesbürger sinken stetig. Die Kaufkraft einer Familie mit zwei Kindern ist nach Berechnungen der Bundesregierung (sic!) in den Jahren 2005 und 2006 um jeweils 1,1, im Jahr 2007 um 1,3 Prozent gesunken. Die Parole der Kanzlerin vom Aufschwung, der bei den Menschen ankommt, ist falsch. Und sie weiß das.

Dass die Regierung eine Rente von 1000 Euro nun um 11 (mit Tricks) statt um 4,60 (ohne Tricks nach bestehender Rentenformel) Euro erhöhen will, sei den Rentnern gegönnt. Es ist aber weder gerecht noch solidarisch, noch hilft es den zumindest von Armut bedrohten Rentnern wirklich aus ihrer finanziellen Bedrängnis. Vor allem ist es keine nachhaltige Politik.

Wenn die große Koalition die Menschen in Deutschland am Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre von bis zu 2,5 Prozent teilhaben lassen will, reicht es beileibe nicht aus, an der Rentenformel herumzumanipulieren. Alle könnten profitieren, wenn zum Beispiel die unsoziale Erhöhung der Mehrwertsteuer ganz oder zum Teil zurückgenommen würde. Aber das erfordert Mut und Durchhaltewillen unter schwierigen Rahmenbedingungen: Der anhaltend starke Euro setzt der deutschen Exportwirtschaft zu, die Deutschen geben zu wenig Geld aus, der Bundesfinanzminister macht trotz der gestiegenen Steuereinnahmen immer noch neue Schulden, viele Menschen haben Angst vor Altersarmut und Arbeitsplatzverlust. Auch die aktuellen Streiks für höhere Löhne sind Ausdruck dieser sozialen und wirtschaftlichen Schieflage.

Der Bundesregierung fällt ihre eigene Politik auf die Füße. Die Deutschen zahlen die dritthöchste Steuer- und Abgabenquote der 30 führenden Marktwirtschaften weltweit. Ursache dafür ist die Politik selbst. Die halbherzigen Reformen der Sozialversicherungssysteme, das sture Festhalten am Steuer- und Subventionsdickicht und die politische Feigheit, die sattsam bekannten Probleme endlich anzugehen, haben die deutsche Politik und mit ihr die deutsche Gesellschaft in die jetzige Situation gebracht.

Wann löst eine Debatte um Inhalte das Hickhack um Koalitionsmodelle ab? Wo ist der leidenschaftliche Kampf für Bürgerversicherung oder Prämienmodell, für ein transparentes und effektives Steuersystem, für eine klare Abgrenzung von steuer- und sozialabgabenfinanzierten Politikzielen? Wer setzt auf Generationensolidarität und -gerechtigkeit? Wer macht ehrliche Politik und die Politik ehrlich? Die große Koalition nicht. Sie verteilt gerade Schlafmittel. Gute Nacht.

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