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Politik: Rentenreform: Angela Merkel im Interview:"Wegen Kindern darf niemand von Sozialhilfe abhängig sein"

Angela Merkel (45) wurde im April zur CDU-Vorsitzenden gewählt. Sie ist die erste Frau in diesem höchsten Parteiamt der Christdemokraten und Nachfolgerin von Wolfgang Schäuble.

Angela Merkel (45) wurde im April zur CDU-Vorsitzenden gewählt. Sie ist die erste Frau in diesem höchsten Parteiamt der Christdemokraten und Nachfolgerin von Wolfgang Schäuble.

Viele fordern das Ende der Umverteilung, bedeutet das auch das Ende der aktiven staatlichen Sozialpolitik?

Nein. In Deutschland fließen von rund 1700 Milliarden Mark Einnahmen rund 689 Milliarden Mark in die Sozialversicherungssysteme. Angesichts einer solchen Zahl kann vom Ende aktiver Sozialpolitik nun wirklich nicht die Rede sein. Aber wir haben eine schwierige Situation: Wir haben eine veränderte Arbeitswelt, stehen in schärferem Wettbewerb weltweit, und wir haben eine Gesellschaft, deren Durchschnittsalter höher wird. Die Fragen lauten: Wie schaffe ich eine gerechte Politik für alle Generationen, und wie bekommt jeder in der Bevölkerung eine Chance auf Arbeit? Diese Fragen müssen in eine neue Balance gebracht werden.

Es ist parteiübergreifend Konsens, mehr Eigeninitiative der Bürger zu fördern, heißt das dann nicht doch weniger Staat?

Ich bezweifle stark, dass das Konsens ist. Zumindest spricht Gesundheitsministerin Fischer, wenn sie ein Globalbudget vereinbart, die Zuzahlungen heruntergesetzt hat und den Leuten die Fiktion eröffnet hat, damit könnte sie ein gutes Werk tun, vom glatten Gegenteil. Die Union dagegen setzt sich für einen schnellen Staat, für mehr Wettbewerb und mehr Entscheidungsspielräume ein.

Muss denn der Staat überhaupt noch das Recht der Schwächeren garantieren, wenn der Bürger mehr Verantwortung haben soll?

Der Staat muss den wirklich Schwachen helfen. Das ist ein Grundverständnis unserer Gesellschaft, und dabei wird es auch bleiben. Die Frage ist nur, ob mit den heutigen Systemen den wirklich Schwachen ausreichend geholfen wird und denen, die sich manchmal auch selbst noch helfen könnten, nicht zu wenig Anreize gegeben werden, diese Eigeninitiative auch wirklich aufzubringen. Der Staat muss auch die richtigen Rahmenbedingungen für mehr Wachstum und Beschäftigung setzen, damit jeder eine Chance auf Arbeit hat.

Wer definiert in der Bürgergesellschaft die Rechte und Pflichten des Einzelnen?

Das ist ein politischer Prozess. Das muss mit den gesellschaftlichen Gruppen besprochen werden. Ich muss mich entscheiden, wem ich wie viel Unterstützung zuteil werden lassen. Ich kann mich fragen, tue ich genug für Familien und Kinder? Diese Frage, finde ich, muss immer ein Schwerpunkt von Politik sein. Denn dass Familien mit Kindern in viel größerem Maße Sozialhilfe beziehen als Familien ohne Kinder, ist Besorgnis erregend. Hier muss die Gesellschaft etwas tun. Insofern hat der Staat zu gewichten. Zu dieser Gewichtung brauche ich Grundvorstellungen, zum Beispiel: Wegen Kindern darf niemand von Sozialhilfe abhängig sein. Wer Kinder hat, sollte nach Meinung der CDU ein höheres Rentenniveau bekommen. Wir wollen einen fairen Sozialstaat, der auf mehr Wettbewerb und dem Prinzip der Nachhaltigkeit beruht. Eine Generation darf nicht auf Kosten zukünftiger leben.

Im Schröder/Blair-Papier stand: Es gibt keine sozialdemokratische, nur eine moderne Wirtschaftspolitik. Gibt es eine christdemokratische Wirtschaftspolitik?

Ja, das ist die Soziale Marktwirtschaft.

Bedeutet "Neue Mitte", dass sich dort SPD und CDU inhaltsgleich annähern?

Für mich ist die "Neue Mitte" eine Fiktion, bestenfalls eine Autobahnabfahrt in Oberhausen. Ich glaube, es geht darum, eine Politik zu betreiben, die die Mehrzahl der Menschen gerecht behandelt. Und die Mitte umschreibt einen großen Teil der Bevölkerung in ihren Anschauungen, in ihren Werten und Erfahrungen. Zur Abgrenzung: Die CDU betont viel stärker den Wettbewerb, ebenso die Familie und ihre Verantwortung. Und wir gewichten die Eigenverantwortung höher als die SPD. Wir wollen die Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit gerecht fördern und nicht alle gleich machen.

Viele fordern das Ende der Umverteilung[bedeutet]

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