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Politik: Rentenreform: Riesters Kürzungs-Formel

So viel ist sicher: Diese Rentenformel versteht niemand. Selbst aus dem Arbeitsministerium - dessen Beamte das mathematische Ungetüm ausgebrütet haben - ist zu hören, dass sie nicht zu verstehen ist.

So viel ist sicher: Diese Rentenformel versteht niemand. Selbst aus dem Arbeitsministerium - dessen Beamte das mathematische Ungetüm ausgebrütet haben - ist zu hören, dass sie nicht zu verstehen ist. Aber, beschwichtigen die Zulieferer von Arbeitsminister Walter Riester, die alte Rentenformel hat auch kein Mensch verstanden. Das ist alles andere als beruhigend, und höchstens die heutigen Rentner können sich entspannt zurücklehnen. Denn kein Politiker wird die jetzige Rentnergeneration mit Kürzungen, privaten Zusatzaufwendungen oder steuerlichen Kapriolen verschrecken.

Aber die nächsten Generationen. Denn ob Arbeiter oder Akademikerin, verheiratet oder ledig, mit oder ohne Kinder - alle in der nahen Zukunft in Rente gehenden Menschen werden deutlich weniger Geld im Ruhestand haben, als heutige Rentner. So muss zum Beispiel ein heute 53 Jahre alter Facharbeiter, der Zeit seines Lebens gearbeitet hat, schon mit einer Lücke von 210 Mark im Monat rechnen, wenn er 2012 in Rente geht, hat das Forschungsinstitut Prognos für den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft ausgerechnet. Der verheiratete Mann mit zwei Kindern müsste 4,4 Prozent seines Bruttoeinkommens von 4584 Mark (202 Mark) im Monat aufwenden, um das Rentenniveau von heute zu halten. Eine vierzigjährige Akademikerin ohne Kinder muss gar im Jahr 2023 mit 870 Mark weniger rechnen, als ihr nach geltendem Recht zustehen. Um die auszugleichen, müsste sie 5,2 Prozent (372 Mark) ihres Bruttoeinkommens von 7150 Mark in eine private Zusatzrente einzahlen. Wäre sie 20 Jahre jünger, hätte sie mit knapp 1500 Mark weniger Rente im Monat zu rechnen.

Dieser Zukunft versucht Riester mit der Formel entgegenzutreten. Sie besagt, dass künftige Rentner einen Teil ihres Bruttolohns in eine private Rentenkasse einzahlen müssen. Der Finanztransfer in diese sogenannte kapitalgedeckte Altersvorsorge soll von 0,5 Prozent im kommenden Jahr auf vier Prozent bis 2008 steigen und auf dem Wert bis in die Ewigkeit verharren. Heißt es heute, wobei niemand diesen Wert garantieren kann. Riester unterstellt, dass alle Einzahler 5,5 Prozent Gewinn im Jahr auf ihren Rentensparstrumpf bekommen. "Absurd" sagt die Opposition von FDP bis CSU, denn schließlich werden sich Banken, Versicherungen und Investmentfonds nicht vorschreiben lassen, wie hoch ihre Rendite sein muss. Da sich das außerdem nicht jeder leisten kann, will Riester den Alleinstehenden mit einem Einkommen von 35 000 Mark im Jahr (Verheiratete das Doppelte) jährlich 400 Mark zuschießen. Mit diesem Höchstsatz wird aber der Durchschnittsverdiener nicht auskommen. Er braucht mindestens 2160 Mark im Jahr, um die klaffende Lücke in seiner Rente auszugleichen, hat die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte ausgerechnet.

Mit der obigen Bruchrechnung ist die Rente bis 2050 wieder sicher, sagt Riester. Er will damit das Versorgungsniveau - also den prozentualen Rententeil vom letzten Nettolohn - bis auf 82 Prozent steigern. Heute liegt er bei 70 Prozent. Denn in Zukunft wird, laut Riester-Formel, der Ausgleichsfaktor die Rente des modellhaften Eckrentners sichern. Hat diese statistische Figur 45 Jahre in die staatliche Rentenkasse und zusätzlich vier Prozent in eine selbst gewählte Anlage investiert, zieht ihm die Rentenanstalt die Hälfte des angesparten Satzes von der theoretisch zustehenden Rente ab. Das senkt die staatlichen Rentenausgaben. Es verschweigt aber, dass die jetzige umlagefinanzierte Rente - die Arbeitenden zahlen für die Rentner - nicht steigt, sondern auf 54 Prozent bis 2050 sinkt.

Ulrike Fokken

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