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Stammt aus einer Demokratenfamilie: Republikaner John Boehner macht sich für einen schlanken Staat stark – ideologische Fragen interessieren ihn weniger. Foto: Matt Sullivan/AFP

© AFP

Republikaner im Repräsentantenhaus: John Boehner Sprecher der Mehrheit

Der Republikaner John Boehner wird neuer "Speaker" des US-Abgeordnetenhauses – und damit die Nummer drei in der staatlichen Hierarchie.

Vom Vizepräsidenten der USA sagt man, er sei „nur einen Herzschlag davon entfernt“, zum mächtigsten Mann der Erde zu werden. Im Fall des Mehrheitsführers im Kongress sind es zwei Herzschläge. Der „Speaker“ des Abgeordnetenhauses – oder die „Madame Speaker“, denn seit 2006 hatte die Demokratin Nancy Pelosi als erste Frau das Amt inne – ist die Nummer drei in der staatlichen Hierarchie. Fallen Präsident und Vizepräsident aus, zieht er (oder sie) ins Weiße Haus ein.

Künftig wird der Republikaner John Boehner diese Position ausfüllen. Schon bevor Amerikas Bürger am Dienstag wählen gingen, galt es als sicher, dass die Demokraten ihre Mehrheit im Kongress verlieren. Wegen der Zeitverschiebung werden die genauen Ergebnisse erst im Lauf des heutigen Mittwoch bekannt.

Der 60-jährige Boehner stammt aus einfachen Verhältnissen und wuchs mit dem Wertesystem von „Smalltown America“ auf; dort achtet man auf Disziplin, Fleiß und Ordnung. Niemanden hätte es wundern dürfen, wenn er ein Demokrat geworden wäre wie seine Eltern. Er ist das zweite von zwölf Kindern. Das katholische Arbeitermilieu in der Kleinstadt Reading im Südwesten Ohios war die prägende Umgebung seiner Kindheit. Formal war der Vater ein selbstständiger Kleinunternehmer: Die Familie betrieb eine Bar; heute führt eine von Johns Schwestern sie weiter. Die Gegend bildet den Übergang vom inzwischen recht angerosteten Industriegürtel am Ufer der Großen Seen zum frommen „Bible Belt“ der Südstaaten.

Doch Boehner wurde Republikaner. Eine verzweifelte Entschlossenheit habe ihn angetrieben, erklärt er diese Wendung gerne. „Es ging uns miserabel, ich hatte doch nichts.“ Das hat sich schon lange geändert. Er ist vermögend, legt Wert auf Anzüge aus feinem Tuch, spielt Golf, ist Kettenraucher und stets eine Spur zu gebräunt. Barack Obama verspottet ihn deshalb gerne. Mal nennt er ihn „den orangenen Mann“, mal sagt er, Boehner sei „der andere Farbige“.

„Arbeitslohn und Steuerabzüge“ hätten sie politisiert, sagt sein älterer Bruder Bob Boehner, der ebenfalls gegen den Familientrend zu den Republikanern wechselte. „Als wir unseren ersten Lohnzettel bekamen und auf die Zahlen starrten, fragten wir uns: Und wo bleibt der Rest des Geldes?“ Der Staat kassiere zu viel, Regierung und Verwaltung sollten sich auf ein Minimum beschränken, also schrumpfen – das sind gängige Überzeugungen der Konservativen vom Schlage Boehners. Ideologische Fragen wie Abtreibung oder Homoehe, die andere Fraktionen der Partei aufwühlen, spielten bei seiner Politisierung keine Rolle.

Boehner besuchte in den sechziger Jahren eine katholische Oberschule in der nahen Großstadt Cincinnati – in gestärktem Hemd und Krawatte. Und lernte im Footballteam verbissen um den Sieg zu kämpfen. Das Studium finanzierte er mit Aushilfsjobs, deren Inhalt er hasste. Zwei Versuche, einer Gewerkschaft beizutreten, um an besser bezahlte Tätigkeiten zu kommen, scheiterten. Er habe nicht die richtigen Leute gekannt, erklärt er das im Rückblick. Die Verachtung für Gewerkschaften ist bis heute geblieben. Nach dem Studium arbeitete er im Verkauf eines Kleinbetriebs für Kunststoffprodukte. Als der Eigentümer starb, übernahm Boehner die Firma – und auch dessen Golfausrüstung. Nach und nach arbeitete er sich nach oben, spielte auf Plätzen und in Turnieren mit immer höherem Ansehen. Seit Jahren gehören die Golfclubs der amerikanischen Elite zu den bevorzugten Orten für Wahlkampfauftritte und das Einwerben von Spenden.

Parallel stieg Boehner in den achtziger Jahren in die Politik ein. Es war kein rascher Aufstieg, er galt nie als genialer Redner oder Überflieger. Die Karriere verdankt er disziplinierter Arbeit, Schritt für Schritt: erst im Verband der Hausbesitzer, dann im Landtag von Ohio, schließlich im nationalen Parlament. Als die Republikaner 1994 einen Erdrutschsieg landeten, stieg er in die Fraktionsspitze auf.

In all den Jahren in Washington hat er einen doppelten Ruf gefestigt. Boehner liebt das angenehme Leben mit Partys, Delikatessen und Weinen aus der oberen Preis- und Güteklasse. Doch auch in der Politik ist er der harte Arbeiter geblieben, der die Unterlagen komplizierterer Gesetzesprojekte akribisch studiert – oder selbst mitschreibt. Boehner ist ein Pragmatiker, kein ideologischer Kämpfer. Er ist bereit zu Kompromissen mit den Demokraten. Die größere Herausforderung für ihn wird sein, die Parlamentsneulinge vom rechten Parteiflügel und aus der „Tea Party“ einzugliedern, die ihren Wählern versprochen haben, Obama nicht einen Fußbreit entgegenzukommen.

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