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Yes, we can – das war einmal. Jetzt jagen die Republikaner Obama. Foto: AFP

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Republikanische Mehrheit: Obama steht mit den Gegnern im Bund

Seit dieser Woche muss Obama mit einer republikanischen Mehrheit im Abgeordnetenhaus leben – auch seine Gesundheitsreform ist wieder unter Beschuss.

Am Mittwoch hat eine neue Phase der Präsidentschaft Barack Obamas begonnen. Von nun an hat er es mit einer republikanischen Mehrheit im Abgeordnetenhaus zu tun. Das bedeutet noch mehr Kampf um seine Gesetzesprojekte. Aber auch die Schlachten um die bereits verabschiedeten Reformen des Gesundheitswesens und der Finanzaufsicht werden noch einmal neu eröffnet. Das haben die Neuparlamentarier aus der konservativen Tea Party ihren Wählern versprochen. Zudem sind Untersuchungsausschüsse gegen die Regierung Obama geplant.

Die Republikaner nutzten die feierliche Konstituierung des 112. Kongresses, um den Machtwechsel zu zelebrieren. Zu Beginn wurde die Verfassung verlesen, mit besonderer Betonung der Rechte des Parlaments gegenüber anderen Institutionen. Das Dokument von 1787 beginnt: „We the People …“ Die Tea Party hatte diese drei Worte zum Schlachtruf im Wahlkampf gemacht. Sie tat so, als sei der bisherige Kongress mit demokratischer Mehrheit eine diktatorische Macht, die nicht die Interessen des Volks vertrat.

John Boehner, der neue „Speaker“, übernahm den Holzhammer von der bisherigen Parlamentspräsidentin Nancy Pelosi – als Symbol der Macht, die Tagesordnung zu bestimmen. Boehner ist 61, stammt aus einfachen Verhältnissen – die Eltern führten eine Kneipe in der Kleinstadt Reading in Ohio –, kam als Geschäftsmann in der Kunststoffindustrie zu Geld und fällt durch seine Solarium- Bräune auf. Er ist kein ideologischer Eiferer, eher ein Pragmatiker. In seiner Antrittsrede versprach er Bescheidenheit und kollegialen Umgang. Der Wahlsieg im November war triumphal: Die Republikaner gewannen 62 Sitze hinzu und haben nun eine Mehrheit von 242 Abgeordneten gegenüber 193 Demokraten. Die Führung bat, auf Siegesfeiern und aufwendige Eröffnungspartys zu verzichten; die passten nicht zur düsteren Wirtschaftslage vieler Bürger.

Mit diesen Signalen wollen die Konservativen die Nation überzeugen, dass eine neue Kultur in Washington einziehe und sich der Stil des politischen Geschäfts ändere. Das hat freilich jede neue Mehrheit in den jüngsten Jahrzehnten versprochen und sich dennoch rasch die Sympathien verscherzt. Der Kongress ist traditionell das unbeliebteste Verfassungsorgan. Nach einer Faustregel ist die Zustimmung zum Parlament halb so hoch wie die zum Präsidenten. Als George W. Bushs Werte gegen Ende seiner Amtszeit unter 30 Prozent fielen, lagen die des Kongresses, in dem damals die Demokraten die Mehrheit hatten, um die 15 Prozent. Aktuell genießt Obama 46 Prozent Zustimmung, der Kongress 19,6 Prozent.

Die Republikaner stehen vor einer dreifachen Herausforderung. Sie müssen herausfinden, was der wahre Wählerwille ist, die großen internen Spannungen zwischen moderaten Altabgeordneten und konfrontationswilligen Neulingen besänftigen und das richtige Maß zwischen Prinzipienfestigkeit und Kompromissbereitschaft im Umgang mit dem Präsidenten finden. Nach aller Erfahrung neigen neue Mehrheiten dazu, ihr Mandat zur politischen Wende überzuinterpretieren. Sie sind an die Macht gelangt, weil die Wähler ihre Unzufriedenheit mit der bisherigen Mehrheit dokumentieren und ihr einen Denkzettel verpassen wollten – nicht aber, weil die Bürger das inhaltliche Gegenprogramm der bisherigen Opposition aus Überzeugung unterstützen. Im Rückblick analysieren Kommentatoren, diesen Fehler hätten die Republikaner nach ihrem Wahlsieg 1994 begangen und so Bill Clinton die Wiederwahl 1996 ermöglicht. Auch die Demokraten hätten nun ihre Mehrheit verloren, weil sie zu viele ideologische Projekte verfolgten.

Am Freitag wollen die Republikaner den Antrag einbringen, Obamas Gesundheitsreform rückgängig zu machen, und nächsten Mittwoch darüber abstimmen. Das wird wohl folgenlos bleiben. Der Senat wird nicht zustimmen, dort haben weiter die Demokraten die Mehrheit. Dieser symbolische Kampf ist ein Zugeständnis an die Tea Party, deren Energie die Republikaner ihren Wahlsieg verdanken.

Den Anspruch der Tea Party auf Machtpositionen hat die republikanische Führung weitgehend abgeblockt. Ihre Vertreter erhalten nur in wenigen Kongressausschüssen den Vorsitz, darunter Darrell Issa im Komitee zur Regierungskontrolle. Er hat gleich sechs Untersuchungen für die nächsten drei Monate angekündigt, unter anderem zum Umgang mit Wikileaks, zur Korruption in Afghanistan und zu Auflagen für die Lebensmittelindustrie. Diese Art der Konfrontation kann Wähler verärgern. Ähnliches gilt für die Haushaltspolitik. Das allgemeine Versprechen, die Staatsausgaben zu senken, ist populär. Konkrete Sparvorschläge für die drei größten Kostentreiber, das Militär, das Renten- und das Gesundheitssystem für Senioren, stoßen freilich auf Ablehnung.

Obamas Sprecher Robert Gibbs wird, wie erwartet, im Februar zurücktreten und eine Beraterrolle für den Wahlkampf 2012 übernehmen. Favorit für die Nachfolge ist der bisherige Vize Bill Burton.

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