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Der republikanische Präsidentschaftskandidat Ben Carson greift in seinen Reden gerne zu Nazi und Sklavenhaltervergleichen.

© AFP

Republikanischer US-Präsidentschaftskandidat: Ben Carson: Evangelikal und ganz rechtsaußen

Wer dachte, Donald Trump und seine skurrilen Thesen seien nicht zu toppen, liegt falsch. Der republikanische US-Präsidentschaftskandidat Ben Carson vergleicht Abtreibung und Gesundheitsreform mit dem Sklavenhandel - und liegt damit in Umfragen vorne.

In der Nacht bevor ein Chemie-Examen darüber entscheiden sollte, ob er Arzt werden konnte, hat Ben Carson Gott um ein Wunder gebeten. Im Semester selbst hatte er, der Student, versagt. Nur die doppelte Wertung des letzten Examens gab ihm eine Chance. Aber anstatt zu lernen, ist Carson eingeschlafen. Im Traum, so erzählt Carson die Geschichte heute, sei ihm dann aber eine nebulöse Figur erschienen und habe Antworten an eine Tafel geschrieben. „Am nächsten Morgen habe ich im Test die erste Frage als eine derjenigen erkannt, von denen ich geträumt hatte. Und die nächste und die nächste und die nächste.“ Das Examen hat Carson bestanden. „Und ich habe Gott versprochen, dass er so etwa nicht mehr für mich tun muss.“ Carson, heute 64, ist einer, der Amerika von ganz unten kennengelernt hat. Er wuchs in bitterer Armut in Detroit auf und lernte als Junge Sozialwohnungen, Lebensmittelmarken und Hosen aus der Kleidersammlung kennen. In Krankenhäusern musste er, der Hilfe-Empfänger, immer stundenlang auf seine Behandlung warten. Dort hat er gehört, wie die Ärzte ausgerufen wurden. Eines Tages, fantasierte er damals, sollten sie einen „Dr. Carson“ ausrufen. Ben Carson ist Neurochirurg geworden, er hat am Kopf zusammengewachsene siamesische Zwillinge getrennt. Seine Mutter, Mitglied in der streng-gläubigen Kirche der "Siebten-Tags-Adventisten", hat in ihm den Glauben daran gepflanzt, dass er alles erreichen kann. Jetzt will der evangelikale Mediziner Präsident der Vereinigten Staaten werden. Mit Gottes Unterstützung - und der der konservativsten Christen Amerikas.

Ben Carson hat Donald Trump bei den Republikanern von Platz eins verdrängt

Vor der am Mittwoch in Colorado stattfindenden dritten TV-Debatte der Republikaner hat der inzwischen pensionierte Neurochirurg, einziger Afro-Amerikaner unter den republikanischen Kandidaten und Tea-Party-Liebling, den seit Monaten in den Umfragen führenden Donald Trump von Platz eins verdrängt. 26 Prozent der befragten Republikaner geben Carson derzeit ihre Unterstützung, Trump folgt mit 22 Prozent. Rund die Hälfte der republikanischen Wählerbasis steht damit weit rechts des republikanischen Establishments. Und insbesondere in der evangelikalen Wählerbasis löst Carson Trump als Kandidat der Wahl ab. In frühen Vorwahlstaaten wie etwa Iowa sind die Evangelikalen eine entscheidende Größe bei den Republikanern. Am Mittwoch gehört Carson der Platz in der Mitte der debattierenden Kandidaten.

Wo Donald Trump hetzt und aufstachelt, tritt Ben Carson mit leiser Stimme auf. Wo Trump dabei immer weltlich bleibt, ist Carsons Habitus pastoral. Seine Thesen jedoch sind zu Teilen noch wirrer als die des Donald Trump. Häufig greift er zu Nazi-Vergleichen und zu Wortbildern aus der Zeit der Sklavenhalter. „Obamacare (die Gesundheitsreform, Anm. d. Red.)" , sagt Carson, „ist wirklich das schlimmste, das dieser Nation seit der Sklaverei zugestoßen ist“. Die Abtreibungsfrage reiht sich hier ein, die Frauen handelten wie die Sklavenhalter, „die dachten, sie hätten das Recht mit den Sklaven zu tun, was sie wollten“. Nicht nur ist ein Hitler nach Carsons Aussage in Amerika möglich, auch hätte der Holocaust vielleicht vermieden werden können, hätten „die Juden Waffen gehabt“.

Als Siebten-Tags-Adventist glaubt Carson an die wörtliche Auslegung der Bibel. Er ist ein strenger Lebensschützer, der Abtreibung US-weit unter Verbot stellen lassen will. Die Evolutionslehre negiert Carson genauso wie die These vom menschengemachten Klimawandel. Über Homosexualität sagt er, sei eine Wahl, denn Männer gingen heterosexuell ins Gefängnis und kämen homosexuell wieder heraus. Richter, die für die Homo-Ehe votierten, sollten vom Kongress entlassen werden, die Homoehe sei ein „marxistisches“ Konzept. US-Präsident Barack Obama bremse die Wirtschaftsentwicklung, damit die Leute auf Sozialleistungen  angewiesen blieben. Und nur zur Stärkung seiner Wählerbasis wolle Obama die Einwanderung aus Lateinamerika erleichtern. Wer gedacht hätte, Donald Trump sei nicht mehr steigerbar, der kann von der Basis der amerikanischen Republikaner noch lernen. Doch genausowenig wie Trump ist Carson nahe dran, den innerparteilichen Sieg zu erringen. Experten weisen trotz des immensen Vorsprungs der beiden Rechtsaußen immer wieder darauf hin, dass die Umfragen auch jetzt noch keine Rückschlüsse auf den Sieger des kommenden Jahres zuließen. "Warum werden nicht die anderen Umfragen veröffentlicht, in denen Trump 40 Prozent hat und Carson unter 20 Prozent? Merkwürdig?", twitterte nach Bekanntwerden der jüngsten Zahlen auch ein doch erstmals unruhig werdender Donald Trump. Er ist in Amerika nicht der einzige, der ungläubig auf diese Umfragezahlen blickt. Am Mittwochabend wird sich die Aufmerksamkeit in der Debatte erstmals auf einen anderen Kandidaten richten.

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