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Sie wird es künftig nicht mehr geben: Zyperns zweitgrößte Bank, die Laiki

© dpa

Rettungspaket für Zypern: Mit der Axt an Zyperns Banken

Eine Pleite ist vorerst abgewendet. Zyperns Bankensektor muss massiv umgebaut werden, aus dem Rettungsschirm fließen dafür zehn Milliarden Euro. Ist das Land damit gerettet?

Zypern ist gerettet – vorerst. Nach der Einigung in Brüssel können dem Inselstaat zehn Milliarden Euro aus dem Rettungsschirm überwiesen werden. Es war ein Wettlauf gegen die Zeit: Am Sonntag war der konservative zyprische Präsident Nikos Anastasiadis nach Brüssel geflogen, um mit den Spitzenvertretern der EU, der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) über ein Rettungskonzept zu verhandeln. Am Dienstag hätte die EZB den zyprischen Banken den Liquiditätshahn zugedreht, wenn es bis dahin kein Hilfsprogramm gegeben hätte. Dann wären der Zusammenbruch des Bankensystems und der Staatsbankrott unvermeidlich geworden. Nun gibt es ein Rettungskonzept und die Banken machen am Donnerstag wieder auf - doch für den Inselstaat ist damit die Zukunft noch nicht gesichert.

Wie ist die Einigung zustande gekommen?

Am Ende der Nacht hat es plötzlich nur noch Sieger gegeben. „Wir haben jetzt das Ergebnis, für das die Bundesregierung immer eingetreten ist“, sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble beim Verlassen des Brüsseler Ratsgebäudes. Kein Wort mehr davon, dass auch er vor acht Tagen der ersten Einigung der Euroländer zugestimmt hatte, die mit einer Zwangsabgabe auf alle zyprischen Bankguthaben so viel Kritik ausgelöst und am Dienstag im Parlament von Nikosia gescheitert war. Die nun gefundene Lösung sei „besser als die aus der Vorwoche“, befand der niederländische Euro-Gruppenchef Jeroen Dijsselbloem. Und selbst der zyprische Finanzminister Michael Sarris sprach von einem „besseren Deal für Zypern“.

In den folgenreichen Rückbau der zyprischen Finanzwirtschaft hatte Präsident Nikos Anastasiades nach stundenlangen Verhandlungen mit EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy, IWF-Chefin Christine Lagarde, EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und Zentralbankchef Mario Draghi und einer eigenen Rücktrittsdrohung eingewilligt. „Es war politisch unmöglich“, sagte der ebenfalls involvierte Jeroen Dijsselbloem, „vor einer Woche eine ähnliche Einigung zu bekommen.“ Finanzminister Sarris sagte: „Wir haben den katastrophalen Austritt aus der Eurozone vermieden“, auch wenn dies „nicht ohne Schmerzen“ abgehen werde. „Dieses Mal war nicht der Ist-Zustand der Vergleichsmaßstab“, sagte ein EU-Diplomat zum Einlenken der Zyprer, „dieses Mal war das Referenzszenario der Staatsbankrott.“

Was sieht der Rettungsplan genau vor?

An die Stelle einer Abgabe für alle Sparer und Anleger tritt nun ein massiver Umbau des zyprischen Bankensektors. Es gibt nach der Finanzministersitzung keine diesbezüglichen Prozentsätze mehr und auch keinen fixen Eigenbeitrag mehr, den die Zyprer beisteuern müssen. „Vergessen Sie die Zahl von 5,8 Milliarden Euro“, forderte Dijsselbloem die Journalisten auf, „wir benutzen sie nicht mehr.“ Einzige Hausnummer in der Ministererklärung ist, dass unverändert bis zu zehn Milliarden aus dem Euro-Rettungsschirm an die Regierung in Nikosia überwiesen werden sollen. Das Geld soll dazu dienen, fällige Staatsanleihen bis 2016 zu refinanzieren und die Haushaltslöcher zu stopfen. Es fließt wohlgemerkt nicht in die Bankenrettung. Das größte Institut der Insel, die Bank of Cyprus, soll sich quasi selbst retten und gesundschrumpfen. Dazu wird ein Teil der Einlagen von mehr als 100000 Euro abgezweigt und in Aktien umgewandelt. Wie hoch der Prozentsatz ist, auf den die Kontoinhaber verzichten müssen, ist noch ungewiss. Der zyprische Regierungssprecher Christos Stylianidis sprach von „etwa 30 Prozent“.

Die restrukturierte Bank of Cyprus soll künftig solide finanziert sein und die vorgeschriebene Eigenkapitalquote von neun Prozent aufweisen. Das mit einem Marktanteil von 16 Prozent zweitgrößte Geldinstitut, die Laiki Bank, wird abgewickelt. Die Guthaben von bis zu 100000 Euro, die durch die EU-Einlagensicherung gedeckt sind, werden auf die Bank of Cyprus übertragen. Entgegen den anfänglichen Plänen sollen diese Bankguthaben von bis zu 100000 Euro, die unter die EU-Einlagensicherung fallen, nicht angetastet werden. „Wir behandeln die Probleme dort, wo sie entstanden sind“, sagte Dijsselbloem ebenso zufrieden wie Christine Lagarde. „Wir haben die Behandlung auf die beiden Problembanken begrenzt“, ergänzte die IWF-Chefin. „Das zyprische Geschäftsmodell war einfach nicht überlebensfähig“, sagte der EU-Kommissionschef Barroso, der gleichzeitig die Gründung einer Task Force für Zypern ankündigte, die untersuchen soll, auf welcher Basis die Wirtschaft neu aufgebaut werden kann: „Wir müssen neue Quellen des Wachstums finden.“ Der direkte Abfluss verbleibender Einlagen wird, wenn nun die Banken am Donnerstag wieder geöffnet werden, mit Hilfe von Kapitalverkehrskontrollen verhindert, denen das Parlament in Nikosia zusammen mit dem Bankenumbau schon vor der Sitzung in Brüssel seinen Segen gegeben hatte.

Welche Auswirkungen haben die Maßnahmen?

EU-Währungskommissar Olli Rehn rechnet mit einem „ökonomischen Schock“ für die Insel. Allein durch die Schließung der Laiki könnten rund 8000 Arbeitsplätze verloren gehen. Besorgte Laiki-Bedienstete demonstrieren seit Tagen in Nikosia vor dem Parlamentsgebäude für den Erhalt ihrer Jobs. Doch der Verlust von 4,2 Milliarden Euro, mit dem Eurogruppenchef Dijsselbloem in der Pressekonferenz kalkuliert hatte, trifft nicht nur wohlhabende russische Anleger, die getroffen werden sollten, weil es sich nach Erkenntnissen des Bundesnachrichtendienstes bei deren Vermögen zu rund 40 Prozent um Schwarzgeld handelt. Unter jenen, die jetzt bluten müssen, sind viele zyprische Geschäftsleute, die ihr Geld bei den beiden großen Banken angelegt hatten. Auch viele Privatleute, die Ersparnisse von mehr als 100000 Euro angesammelt hatten, etwa für die Altersvorsorge, müssen große Verluste befürchten, vor allem, wenn sie Kunden der Laiki Bank waren. Betroffen ist auch die orthodoxe Kirche Zyperns. Sie wird nach den Worten von Erzbischof Chrysostomos durch die bevorstehende Zwangsabgabe rund 100 Millionen Euro verlieren. Der Gottesmann ist dennoch zuversichtlich: „Die Kirche wird es überleben.“ Aber auch die zyprische Volkswirtschaft insgesamt steht vor einschneidenden Veränderungen. Die Bilanzsumme der zyprischen Banken erreichte zuletzt fast das Achtfache des Bruttoinlandsprodukts. Bis 2018 soll die Branche auf die Hälfte schrumpfen. Damit entspräche ihre Größe dann etwa dem EU-Durchschnitt.

Wenn dem Land das Geschäftsmodell wegbricht – was bleibt ihm dann?

Was an die Stelle der Finanzdienstleistungen treten könnte, ist noch völlig unklar. Entwicklungsmöglichkeiten bietet zwar der Fremdenverkehr. Aber wer kann in dieser Situation überhaupt in neue Hotels und die Tourismus-Infrastruktur investieren? Zyprischen Unternehmen fehlt das Geld. Und ausländische Investoren werden in den nächsten Jahren wohl erst einmal einen großen Bogen um Zypern machen. Der zyprische Exportsektor ist überdies leistungsschwach. Selbst gesteigerte Ausfuhren könnten die Einbußen in der Finanzwirtschaft nicht annähernd ausgleichen.

Bleibt die Hoffnung auf die Erdgas- und Erdölvorräte, die vor den Küsten Zyperns vermutet werden. Aber ihr wahres Ausmaß ist bisher unbekannt. Die Schätzungen über den Wert der Bodenschätze gehen weit auseinander. Eine Studie der Royal Bank of Scotland beziffert den Marktwert auf 600 Milliarden Euro. Das entspräche mehr als dem 30-fachen der Jahreswirtschaftsleistung. Die Experten der Großbank Morgan Stanley setzen dagegen den Wert der Vorkommen bei maximal 32 Milliarden an. Auch das ist eine beträchtliche Summe. Aber bis die Erlöse aus der Förderung sprudeln, werden mindestens noch fünf bis sechs Jahre vergehen. Bis dahin droht Zypern ein tiefer wirtschaftlicher Absturz. Die bevorstehende Rezession könnte soziale Konflikte auslösen, die letztlich dazu führen, dass die Zyprer dem Euro und der EU den Rücken kehren – was ja durch das Hilfspaket gerade verhindert werden soll. Ein solcher Schritt würde die ganze Währungsunion erschüttern.

Ist in jüngster Zeit schon Geld aus Zypern abgeflossen?

In den vergangenen zehn Tagen waren die Banken geschlossen und auch das E-Banking blockiert. Es fanden daher keine Transaktionen statt. Wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ unter Berufung auf Frankfurter Fachleute für den Zahlungsverkehr berichtet, sei dennoch in der vergangenen Woche deutlich mehr Geld aus Zypern abgeflossen als in den Wochen zuvor. Waren vor der Zuspitzung der Krise in Zypern die auflaufenden Verbindlichkeiten der zyprischen Notenbank gegenüber der Europäischen Zentralbank (EZB) täglich um 100 bis 200 Millionen Euro gestiegen, sei der tägliche Wert nach dem Scheitern des Stabilisierungsprogramms im zyprischen Parlament um mehr als das Doppelte gestiegen. Nach inoffiziellen Informationen aus Finanzkreisen waren bereits in den letzten Wochen vor der Schließung der Banken rund vier Milliarden aus Zypern abgeflossen – als Reaktion auf die bereits länger kursierenden Spekulationen um ein bevorstehendes Bail In der Bankkunden. Dadurch fielen die Einlagen der zyprischen Banken von 69,8 auf unter 66 Milliarden.

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