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Rheinland-Pfalz: Kostenlosen Kindergärten fehlen die Erzieher

Rheinland-Pfalz ist das erste Bundesland, in dem Kindergärten kostenlos sind. Der Personalmangel trübt jedoch die Freude der Eltern.

Simone Müller findet es „einfach nur super“. Sie ist nicht die einzige. „Alle Eltern finden das gut“, erzählt die 43-jährige Mainzerin. Sie muss für die Betreuung ihrer Tochter Mia nichts mehr zahlen. Denn seit dem 1. September ist der Kindergartenbesuch in Rheinland-Pfalz kostenlos. Alle Kinder, die zu diesem Zeitpunkt das dritte Lebensjahr vollendet hatten, sind seitdem beitragsfrei. Für Simone Müller bedeutet das, dass sie 130 Euro monatlich mehr im Portemonnaie hat. Das ist viel Geld für eine alleinerziehende Mutter.

Rheinland-Pfalz ist das erste Bundesland, das Kindern zwischen drei und sechs Jahren einen kostenlosen Kita-Besuch ermöglicht. „Wir wollen, dass alle Kinder schon früh von den Bildungs- und Erziehungsangeboten in den Kindergärten profitieren können“, erklärte Ministerpräsident Kurt Beck (SPD). Und auch Bildungsministerin Doris Ahnen (SPD) sieht in der Beitragsfreiheit einen wesentlichen Beitrag zu mehr Chancengleichheit im Bildungssystem. Wer frühkindliche Bildung ernst nehme, müsse auch allen den Zugang dazu ermöglichen, argumentiert die Sozialdemokratin.

Rheinland-Pfalz plant, die Beitragsfreiheit für alle Kinder ab zwei Jahren einzuführen. Dies soll mit einem Stufenplan geschehen: Im Januar 2006 wurden zunächst die Kita-Beiträge für alle Fünfjährigen vom Land übernommen, im September 2008 folgten die Vierjährigen. Seit dem 1. September 2009 sind nun die dreijährigen Kinder an der Reihe. Im August 2010 sollen die Beiträge für die zweijährigen Kinder entfallen. Sie erhalten dann auch einen Rechtsanspruch auf einen Platz im Kindergarten. Insgesamt will Rheinland-Pfalz am Ende rund 85 Millionen Euro jährlich für die Beitragsfreiheit der Kindergärten aufbringen. Investitionen, die sich lohnen, findet Bildungsministerin Ahnen: „Die Kitas sind genauso wichtig wie die Schulen.“

Doch nicht alle sind so begeistert wie Simone Müller. „Das Geld hätte man besser für eine Verbesserung der Betreuung ausgegeben“, meint eine Erzieherin aus Bad Kreuznach. Zusammen mit einer Kollegin, die eine halbe Stelle hat, betreut sie 25 Kinder. „Das ist der gängige Betreuungsschlüssel in städtischen Einrichtungen.“ Ähnliches hört man auch in Mainz. „Die Gruppenstärken müssten dringend reduziert werden, wir brauchen mehr Personal“, sagt die Leiterin einer Kindertagesstätte. Es sei kaum möglich, die unterschiedlichen Bedürfnisse der Kinder zu berücksichtigen: „Dreijährige müssen eigentlich ganz anders betreut werden als Vorschulkinder. Doch uns fehlt die Zeit, auf die Kinder einzugehen.“ Sie darf noch gar nicht daran denken, was werden soll, wenn im nächsten Jahr die Zweijährigen in die Gruppen kommen: „Das sind Kinder, die noch Windeln tragen – woher sollen wir die Zeit nehmen, die zu wickeln?“ Überall im Land hört man die Klage: Stellen können nicht besetzt werden, weil es an Erziehern fehlt, die Kinder würden nur notdürftig verwahrt. „Ich habe keine Zeit für Gespräche“, wettert eine Koblenzer Erzieherin am Telefon. Sie sei gerade allein mit mehr als zwanzig Kindern. Die Kollegin sei krank, die Kinder ohne Aufsicht, sie müsse zurück in die Gruppe.

„Was nützen kostenfreie Betreuungsplätze, wenn die Kinder nicht adäquat versorgt werden?“ fragt auch die CDU in Rheinland-Pfalz. Obwohl der frühkindliche Betreuungsbereich weiter ausgebaut werde, sinke die Zahl der angehenden Erzieherinnen und Erzieher drastisch. Der Nachwuchs an qualifiziertem Personal sei in Rheinland-Pfalz zeitweise um die Hälfte zurückgegangen. „Die Beitragsfreiheit geht auf Kosten der Qualität“, sagt die bildungspolitische Sprecherin der CDU, Bettina Dickes.

Im Bildungsministerium dagegen spricht man von einem „Dreiklang“: Es gehe um die Verbesserung der Qualität, den Ausbau des Angebots und die Beitragsfreiheit. „Im Durchschnitt entlasten wir die Eltern durch die freie Kindertagesstätte um 700 Euro im Jahr. Im Einzelfall können es auch 1000 Euro sein“, erklärte Doris Ahnen. „Das sind Wahlgeschenke“, spottet eine Erzieherin aus dem nördlichen Rheinland-Pfalz. Die SPD könne eben rechnen: Es gebe mehr Eltern als Erzieher.

In Rheinland-Pfalz setzt man darauf, dass andere Länder dem Beispiel der kostenlosen Kindergärten folgen. Bisher strebt aber nur Berlin die völlige Beitragsfreiheit für den Kindergarten an. Das dritte Kitajahr ist dort – wie in einigen anderen Bundesländern auch – schon heute frei, 2010 soll in Berlin das zweite Jahr folgen, ab 2011 dann sollen in der Hauptstadt insgesamt drei Jahre Kita-Besuch vor der Einschulung kostenlos sein.

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