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Ein Düsseldorfer Gericht hat die Ministererlaubnis für die Fusion von Edeka mit Tengelmann gestoppt.

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Richterspruch zu Edeka und Tengelmann: Nichts in der Hand

Ein Düsseldorfer Gericht kassiert die Ministererlaubnis für die Fusion von Edeka mit Tengelmann. Was bedeutet das für Berlin und Wirtschaftsminister Gabriel?

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Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte im Frühjahr per Ministererlaubnis einer Fusion der Handelsriesen Edeka und Kaiser’s Tengelmann den Weg bereitet. Das hat nun das Oberlandesgericht Düsseldorf vorerst gestoppt. Eine Blamage für Gabriel und neue Unsicherheit für die 16 000 Mitarbeiter von Kaiser’s Tengelmann. Vor allem in Berlin hätte ein Scheitern der Fusion schwere Folgen für die Handelsstrukturen und die Beschäftigten.

Wie wichtig sind Edeka und Kaiser’s Tengelmann für die Stadt?

Beide haben in Berlin zahlreiche Filialen. Edeka hat in der Stadt 161 Märkte. Kaiser’s betreibt derzeit 133 Supermärkte mit rund 5700 Mitarbeiter, 2000 davon Aushilfen. Gabriel hatte zur Bedingung für die Fusion unter anderem den Erhalt aller Arbeitsplätze für rund fünf Jahre in ganz Deutschland gemacht. Das steht nun in Frage.

Wie geht es jetzt mit Kaiser’s Tengelmann weiter?

Das ist ungewiss. Tengelmann-Eigentümer Karl-Erivan Haub hatte vor Gabriels Ministererlaubnis damit gedroht, Tengelmann werde zerschlagen, falls der Minister seine Zustimmung verweigere. Nun könnte genau das geschehen. Interesse an einer Übernahme von Teilen des 451 Standorte umfassenden Filialnetzes haben Rewe, Konsum Leipzig und die Schweizer Migros signalisiert. Am Mittwoch gab der Konkurrent und Übernahmeinteressent Rewe bekannt, er wolle sein Angebot zur Übernahme aufrecht erhalten und die Bedingungen des Bundeswirtschaftsministers zur Sicherung der Arbeitsplätze und Tarifbedingungen garantieren. Ob Kaiser’s Tengelmann darauf eingeht, blieb zunächst offen.

Gabriels Ministererlaubnis wurde von den Richtern kassiert. Wie wehrt sich der Minister dagegen?

Für Sigmar Gabriel hat die Angelegenheit höchste Priorität. Schließlich hat das OLG für den Stopp der Fusion allein ihm die Schuld wegen Verfahrens- und Rechtsauslegungsfehlern bei der in diesem Frühjahr erteilten Ministererlaubnis zugeschoben. Der so Angegriffene unterbrach seinen Urlaub und ging am Mittwoch in eine Gegenoffensive. Mit ungewöhnlicher Schärfe attackierte Gabriel nun seinerseits die Richter und kündigte Rechtsmittel gegen den Gerichtsentscheid an. Die Entscheidung der Richter zu „respektieren“, gebiete ihm der Anstand eines Regierungsmitgliedes. „Akzeptieren kann ich das aber nicht“, sagte er.

Zunächst wies der Minister den richterlichen Vorwurf der „Befangenheit“ zurück. Die Richter hätten sich zwar die Verfahrensakten aus seinem Ministerium kommen lassen, aber „nicht einmal nachgefragt“ und seien schließlich zu einer Reihe „teils falscher Tatsachenbehauptungen“ gekommen. So sei es falsch, dass er am 1. und 16. Dezember 2015 „geheime Gespräche“ mit Edeka-Chef Markus Mosa und Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub geführt habe. Außerdem trat er dem Vorwurf entgegen, der Inhalt dieser Gespräche sei „nicht aktenkundig“ gemacht worden und die Gespräche hätten „ohne Kenntnis und unter Ausschluss“ der weiteren Beteiligten – wie des Konkurrenten Rewe – stattgefunden.

Gabriel legte am Mittwoch nicht nur eine ganze Reihe von Terminen vor, mit denen er dem Eindruck der Intransparenz des Verfahrens entgegen treten wollte. Er stellte auch klar, dass die beiden Gespräche mit den Edeka- und Tengelmann-Managern nicht am 1. und 16. sondern am 1. und 18. Dezember stattgefunden hätten – und zwar nicht unter „sechs Augen“, wie es die Richter festgestellt hatten, sondern „immer“ unter Beteiligung „mindestens“ des verfahrensleitenden Beamten seines Hauses. In einem Fall seien auch „Anwälte von Edeka“ dabei gewesen. Die Vorbereitung dieser Gespräche sei in den Akten auch dokumentiert gewesen, fügte Gabriel an, ließ allerdings offen, warum es keine Gesprächsprotokolle gibt. In den kommenden Tagen werde man den Hergang in seinem Haus noch einmal „genauestens schriftlich niederlegen“. Den Vorwurf von Geheimniskrämerei, gar Befangenheit, weise er auf jeden Fall „entschieden zurück“. Mit ebensolcher Entschiedenheit wehrte sich der Minister und SPD-Chef auch gegen den Vorwurf, er habe die Ministererlaubnis nicht im Interesse des Gemeinwohls, sondern nur im gewerkschaftlichen Interesse erteilt.

Wie groß ist der politische Schaden für Minister Gabriel?

Schon jetzt ist klar: Der Fall zieht sein ramponiertes Image weiter in Mitleidenschaft – und das in einer Phase, in der Gabriels Autorität als SPD-Chef ohnehin in Frage steht. Seit Wochen wird in der Partei darüber diskutiert, ob der Vorsitzende die Sozialdemokratie aus dem Umfragetief führen kann – und ob er nach mehreren Kurswechseln noch über die nötige Glaubwürdigkeit verfügt, um als Kanzlerkandidat bei der Bundestagswahl 2017 Amtsinhaberin Angela Merkel (CDU) herauszufordern. Die Zweifel daran sind auf allen Ebenen der Partei groß – und werden selbst von Mitgliedern der SPD-Führung geteilt. Als Alternativen sind Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz, EU-Parlamentspräsident Martin Schulz und neuerdings auch wieder Außenminister Frank-Walter Steinmeier im Gespräch.

Der Fall dürfte Gabriels Gegner nun in ihrer Skepsis bestärken. Sie wissen: Die politische Konkurrenz wird die umstrittene Ministererlaubnis nutzen, um Gabriel die Regierungskompetenz abzusprechen. Frei nach dem Motto: Wer das Wirtschaftsministerium nicht reibungslos führen kann, taugt nicht zum Kanzler. Für den Minister kommt es deshalb entscheidend darauf an, den Verdacht des Missmanagements sowie der Befangenheit restlos auszuräumen. Fehler kann er sich nicht erlauben, Sollte sich Gabriel bei der Verteidigung seines Vorgehens in Sachen Ministererlaubnis in Widersprüche verwickeln, könnte die Opposition einen Untersuchungsausschuss des Bundestags erzwingen. Damit würde Gabriel ein Jahr vor der Bundestagswahl in die Defensive gedrängt – und womöglich vorzeitig aus dem Rennen um die SPD-Kanzlerkandidatur ausscheiden.

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass es beim Urteil der Richter bleibt?

Groß. Experten glauben, dass sich die OLG-Richter nicht revidieren werden. „Der Minister hat weder die formalen noch die inhaltlichen Vorgaben, die für eine Ministererlaubnis gelten, eingehalten“, sagte Dario Struwe, Kartellrechtsexperte der Kanzlei FPS. Gabriel habe sich in dem Verfahren vor allem durch mangelnde Transparenz und Gleichberechtigung schwer wiegende handwerkliche Fehler geleistet, „die nicht hätten passieren sollen“. Struwe sagte weiter: „Man darf annehmen, dass die Richter sich ihrer Sache sicher sind.“

Was bedeutet die Gerichtsentscheidung für die Verhandlungen der Fusionsbeteiligten?

Seit April bemühen sich Edeka und die Gewerkschaften Verdi (für die Lebensmittelfilialen) und NGG (für drei Fleischbetriebe) um eine tarifvertragliche Umsetzung der Ministererlaubnis. Gabriel hatte die Übernahme durch Edeka nur unter der Voraussetzung genehmigt, dass die am 31. Dezember 2015 vorhandenen 16 000 Arbeitsplätze dauerhaft gesichert sind. Edeka versucht, diesen Stichtag nach vorne zu verschieben, und möchte nur die Arbeitsplätze garantieren, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Tarifvertrags noch da sind. Und das werden immer weniger, da zunehmend Mietverträge von Kaiser’s-Filialen auslaufen. In Berlin arbeiten noch 5700 Personen für Kaiser’s, davon etwa 2000 Aushilfen. Hier sind die Tarifverhandlungen auf gutem Wege, die Tarifkommission von Verdi hat dieser Tage einen Vertragsentwurf gebilligt, der nun von der anderen Seite geprüft wird. In der kommenden Woche scheint eine Einigung möglich. In Gewerkschaften wird darauf spekuliert, dass die jüngste Entwicklung die Kompromissbereitschaft von  Edeka befördern könnte: Wer wollte, wenn sich die beiden Parteien auf eine längerfristige Arbeitsplatzsicherheit geeinigt haben, noch die Gemeinwohlorientierung in Frage stellen? Genau das aber hat das Gericht getan.

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