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Politik: Richtung Amerika

Frankreich will die USA nicht mehr verprellen. Trotz Bedenken gegen einen Irak-Krieg teilt Paris Schröders harte Linie deshalb nicht

Von Sabine Heimgärtner, Paris

Frankreich übt sich in Diplomatie. Ein Jahr nach den Septemberattentaten und einen möglichen US-Militärschlag gegen Irak vor Augen, sucht Paris nach Lösungen, in der von den USA dominierten Weltpolitik mitzumischen, ohne Washington zu brüskieren. Das Ergebnis: keine scharfen Worte in Richtung USA, gepaart mit einem weitaus klarer formulierten Interesse für ein starkes Europa. Das Jahr nach den Anschlägen in New York und Washington hat den Franzosen gezeigt, dass sie ihren eingefleischten Anti-Amerikanismus aufgeben müssen.

Ohne wenigstens minimale Solidarität mit dem rigorosen Vorgehen des amerikanischen Präsidenten George W. Bush im „Krieg gegen den Terrorismus“ und gegen die „Achse des Bösen“, so weiß Paris, würde sich Frankreich isolieren. Schon die linke Regierung unter Lionel Jospin hatte trotz des öffentlich geäußerten Missfallens von Außenminister Hubert Vedrine an Bushs allzu simplen Politik-Formeln leichte Zugeständnisse gemacht und sich am Afghanistan-Krieg beteiligt, wenn auch nur am Rande. Stärker wurde das Engagement nach dem tödlichen Anschlag auf französische Marine-Ingenieure in Pakistan.

Die neue konservative Regierung in Paris hat mit Bushs polterndem Säbelrasseln zwar weniger Probleme als ihre Vorgänger. „Wir müssen kooperieren und Lösungen suchen“, erklärte Außenminister Dominique de Villepin nach seinem ersten Gespräch mit seinem Kollegen Colin Powell. Um Vertrauen werben, versöhnen, Europa einbeziehen – so lautet die neue Gangart Frankreichs gegenüber den USA, auch wenn die Regierung davon überzeugt ist, dass eine militärische Aktion gegen Bagdad kontraproduktiv wäre und die Probleme in der Region drastisch verschärfen würde.

Präsident Jacques Chirac stellte nun einen Zwei-Stufen-Plan vor: Zunächst sollte Bagdad mit einer UN-Resolution zum Einlassen der Waffeninspektoren bewogen werden. Sollte das innerhalb von drei Wochen nicht geschehen, sollte eine weitere UN-Resolution über eine mögliche militärische Intervention verabschiedet werden.

In einem Interview mit der „New York Times“ ließ Chirac das weitere Vorgehen Frankreichs offen. Sein Land betrachte sich als eines der Freunde Amerikas, „nicht notwendigerweise als eines seiner Speichellecker“. Das erinnert an die Wortwahl von Bundeskanzler Gerhard Schröder, im Gegensatz zu diesem lehnt aber Chirac eine Beteiligung Frankreichs an einer Intervention mit UN-Mandat nicht rundweg ab. Eine deutsch-französische Achse als Gegenpol zu Bush und seinem Mitstreiter Tony Blair gibt es also nicht.

Chiracs Lavieren hat einen Grund auch darin, dass sich das Meinungsbild in Frankreich über die US-Politik seit den Terroranschlägen dramatisch verschlechtert hat. Kurz nach dem Horror rollte eine Welle der Solidarität durchs Land, die in der Solidaritätsadresse „Wir sind alle Amerikaner“ gipfelte. Das hat sich geändert. Eine Mehrheit der Befragten stellte Bushs Politik in einer Umfrage der Wochenzeitschrift „Marianne“ ein sehr schlechtes Zeugnis aus. 67 Prozent hielten die USA nicht für geeignet, den Weltfrieden zu sichern. Fast 30 Prozent meinten, Bush sei ein ganz schlechter Präsident und 76 Prozent machten die USA für die schlechte Lage der Weltwirtschaft verantwortlich.

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